Reuters

Lockdown-Angst und SAP-Kurssturz setzen Europas Börsen zu

26.10.2020
um 10:42 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Die grassierende Coronavirus-Pandemie schlägt Aktienanleger erneut in die Flucht.

"Das, was im Sommer noch undenkbar war, wird jetzt angesichts schnell steigender Infektionszahlen zum wahrscheinlichen Szenario: ein zweiter Lockdown", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. Der Dax steuerte am Montag mit einem Minus von zeitweise knapp drei Prozent auf 12.297 Punkte auf den größten Tagesverlust seit rund einem Monat zu. Der EuroStoxx50 büßte 1,5 Prozent auf 3152 Zähler ein.

Verstärkt wurde der Verkaufsdruck bei beiden durch eine Prognose-Senkung des Index-Schwergewichts SAP. Die Aktien des größten europäischen Softwarehauses stürzten zeitweise um fast 21 Prozent ab, so stark wie zuletzt Anfang 1999. Damit schrumpfte der Börsenwert binnen Minuten um etwa 31 Milliarden Euro - mehr als die gesamte Marktkapitalisierung des Rückversicherers Münchener Rück.

Wegen der Virus-Krise und vor dem Hintergrund eines enttäuschenden Quartalsergebnisses kappte SAP zum zweiten Mal in diesem Jahr seine Geschäftsziele. Überraschend sei vor allem der gesenkte Ausblick für das Cloud-Geschäft 2020 so spät im Jahr, kommentierte Analyst Andrew DeGasperi von der Berenberg Bank. Die gesenkten Mittelfrist-Ziele seien ein Zeichen dafür, dass das SAP-Management angesichts der steigenden Corona-Fallzahlen davon ausgehe, dass sich die Erholung des Geschäfts in Teilen verzögern werde.

SCHWACHER IFO - HICKHACK UM US-HILFSPAKET GEHT WEITER

Wasser auf die Mühlen der Konjunktur-Pessimisten war der Ifo-Index, der die Stimmung in den deutschen Chef-Etagen widerspiegelt. Er fiel überraschend stark auf 92,7 Punkte. Während die Firmen die aktuelle Lage etwas besser einschätzten als erwartet, äußerten sie sich über die Zukunftsaussichten pessimistischer. "Es bedarf keines Lockdowns in Deutschland, um die Konjunktur auszubremsen", warnte DekaBank-Volkswirt Andreas Scheuerle. "Schon die exponentiell steigenden Infektionszahlen reichen aus."

Von den Verhandlungen in den USA über neue Konjunkturhilfen seien ebenfalls keine positiven Impulse zu erwarten, sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. "Die Anleger müssen sich damit abfinden, dass dieses Thema erst nach der Wahl wieder ernsthaft diskutiert wird. Im Moment geht es beiden Parteien in Washington mehr darum, sich taktisch für die Wahl zu positionieren."

ÖLPREIS AUF TALFAHRT - DOLLAR UND ANLEIHEN GEFRAGT

Vor diesem Hintergrund zogen sich Investoren auch aus den Rohstoffmärkten zurück. Die Sorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich um mehr als zwei Prozent auf 40,79 Dollar je Barrel (159 Liter).

Im Gegenzug nahmen einige Anleger Kurs auf "Sichere Häfen" wie die Weltleitwährung. Dies verhalf dem Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, zu einem Kursplus von 0,3 Prozent. Bundesanleihen waren ebenfalls gefragt. Dies drückte die Rendite der zehnjährigen Titel auf minus 0,584 Prozent.

In London steuerten die Aktien von Coca-Cola European Partners dagegen mit einem Kurssprung von 8,5 Prozent auf den größten Tagesgewinn seit einem guten halben Jahr zu. Der weltgrößte unabhängige Getränke-Abfüller will australischen Abfüller Coca-Cola Amatil für umgerechnet 5,8 Milliarden Euro schlucken. Dessen Papiere hatten in Sydney rund 16 Prozent zugelegt, so viel wie noch nie.

SAP SE

WKN 716460 ISIN DE0007164600