Reuters

Kaeser - Leben im asiatischen Jahrhundert - "Keine Prognose, sondern Realität"

15.12.2020
um 11:07 Uhr

Berlin (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft sieht Asien gestärkt aus der Corona-Pandemie hervorgehen.

Die bevölkerungsreichste Weltregion weise bereits seit Jahren die höchsten Wachstumsraten beim Bruttoinlandsprodukt auf, erklärte der Asien-Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft (APA) am Dienstag. "Die Covid-19-Pandemie beschleunigt diesen langfristigen Trend, da insbesondere die jungen und technikaffinen Volkswirtschaften wie Indonesien die Vorteile der zunehmenden Digitalisierung für sich zu nutzen wissen." Länder wie China, Japan, Südkorea, Singapur und Vietnam hätten die Pandemie vergleichsweise gut bewältigt und erholten sich nun schneller als Europa oder die USA. "Die Einlassung, dass das 21. Jahrhundert das asiatische Jahrhundert sein wird, ist keine Prognose, sondern spiegelt Realitäten wider", sagte der APA-Vorsitzende Joe Kaeser zu Reuters.

Für die exportorientierte deutsche Wirtschaft dürfte der Umsatzanteil Asiens und insbesondere Chinas zunehmen, erwartet der APA. Darauf stellten sich die Unternehmen ein, indem sie ihre Präsenz dort ausbauen. "Asien ist nicht nur der wichtigste Wachstumsmarkt, sondern längst auch ein wichtiger Innovationsstandort", hieß es dazu. "Für die globale Strategie vieler Unternehmen wird es immer wichtiger, nicht nur mit Produktion, sondern auch mit Forschung und Entwicklung in Asien vor Ort zu sein."

"IM POTENZIAL UM LÄNGEN ÜBERLEGEN"

Mit dem neuen Freihandelsblock RCEP entstehe unter Führung Chinas ein asiatischer Binnenmarkt, der im Design vergleichbar sei mit der EU, "aber im Potenzial um Längen überlegen ist", sagte der scheidende Siemens-Chef Kaeser. "Während die USA mit Wahlergebnissen und die EU mit Brexit mit sich selbst beschäftigt sind, baut China seinen Anspruch auf wirtschaftliche Vormachtstellung in der Welt konsequent und zielstrebig aus." Eine Neuordnung des transatlantischen Verständnisses über ökonomische Zusammenarbeit könnte den Vorsprung Chinas bei der Prägung einer zukünftigen Weltwirtschaftsordnung aufholen. "Dabei ist allerdings fraglich, ob die EU in ihrer derzeitigen Verfassung ein Partner auf Augenhöhe für die USA sind", sagte der APA-Vorsitzende.

Die Formulierung einer gemeinsamen Außenwirtschaftspolitik der EU sei Voraussetzung für einen Dialog auf Augenhöhe mit den USA und China. "Ob das ohne eine grundlegende Reform der EU geht, ist allerdings fraglich", sagte Kaeser. Er sieht vor allem beim Thema Nachhaltigkeit die große Chance für Europa, eine globale Führungsrolle einzunehmen. "Eine effektive Umsetzung von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nachhaltigkeitskonzepten macht uns attraktiv und wettbewerbsfähig."

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