- von Alexandra Schwarz-Goerlich
Wien (Reuters) - Der österreichische Faserhersteller Lenzing gerät immer tiefer in den Strudel des Masken-Skandals bei seiner Tochter Hygiene Austria.
"Natürlich ist das ein gewaltiges Image-Problem", räumte Lenzing-Technikchef Stephan Sielaff am Donnerstag ein. Gleichzeitig übte sich der im Vorstand mit der Aufarbeitung der Affäre betraute Manager in Schadensbegrenzung: Von zugekauften Masken in China oder Schwarzarbeit habe man nichts gewusst, sagte er. Er arbeite mit all seiner Energie rund um die Uhr an der Aufarbeitung der Affäre. Etliche Journalistenfragen ließ Sielaff unbeantwortet. "Lassen Sie uns bitte erst die Arbeit machen und dann werden wir in aller Klarheit über die Konsequenzen sprechen".
Die im April 2020 gegründete Hygiene Austria steht im Verdacht einen Teil der vertriebenen FFP2-Masken in China zugekauft, umetikettiert und als "Made in Austria" verkauft zu haben. Hygiene Austria weist die Vorwürfe zurück. Zur Bewältigung des Nachfrageanstiegs sei allerdings ein chinesischer Lohnfabrikant mit der Produktion von Masken nach dem Baumuster der Hygiene Austria beauftragt worden, hatte die Firma in der Vergangenheit erklärt. Die CE-Zertifizierung sei durch eine Schweizer Firma sichergestellt worden.
Gegen Hygiene Austria - ein Joint Venture von Lenzing und dem Textilkonzern Palmers - laufen Ermittlungen wegen des Verdachts des schweren Betrugs und organisierter Schwarzarbeit. In der vergangene Woche kam es zu Hausdurchsuchungen an zwei Standorten. Das Lenzing-Management hatte den Vorfall zunächst tagelang nicht kommentieren wollen und auf die Hygiene Austria verwiesen.
"ZUTIEFST VERSTÖREND"
Lenzing-Chef Stefan Doboczky räumte nun Verfehlungen ein: "In der Umsetzung sind bei der Hygiene Austria anscheinend echte Fehler passiert." Lenzing sei nun gefordert, in der Aufarbeitung einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Über die Vorgänge bei dem Maskenhersteller sei er nicht im Bilde gewesen. "Das Bild, das sich in den letzten Tagen in Sachen Hygiene Austria gezeigt hat, empfinde ich zutiefst verstörend", sagte Doboczky. "Dieses Bild muss korrigiert werden".
Bei der Gründung der Firma habe man einen positiven Beitrag zum Schutz der österreichischen Bevölkerung leisten wollen. "Eine österreichische Produktion von Schutzmasken, produziert in Österreich, für Österreich. Das war unsere Vision", sagte Doboczky. Er selbst und alle seine Kollegen seien bis vor wenigen Tagen unheimlich stolz auf die Masken gewesen. "Wir haben sie persönlich getragen und Familie, Freunden und Bekannten empfohlen."
Die wirtschaftliche Bedeutung der Hygiene Austria ist für den weltweit tätigen Konzern mit über 7300 Mitarbeiter gering. Per Jahresende 2020 stand die Firma mit 4,5 Millionen Euro in den Büchern von Lenzing. Gewinne wurden bisher keine abgeliefert.
Marktteilnehmer reagierten verschreckt und warfen die Lenzing-Papiere aus dem Depot. In der Spitze verloren die Aktien an der Wiener Börse mehr als sieben Prozent auf 107,20 Euro. Die am Donnerstag veröffentlichten Ergebnisse des Konzerns sowie der Ausblick standen im Schatten des Skandals. Unter dem Strich machte Lenzing 2020 einen Verlust von 10,6 Millionen Euro, nach einem Gewinn von 114,9 Millionen Euro im Vorjahr. Die Aktionäre gehen für 2020 leer aus. Im laufenden Jahr will Lenzing operativ auf das Niveau des Vorkrisenjahres 2019 zurückkehren.