Berlin (Reuters) - Die Union rechnet im Mai mit einer Einigung im Bundestag auf Details des Wirecard-Gesetzes.
"Wir wollen keinen Schnellschuss", sagte CDU-Finanzpolitiker Matthias Hauer am Mittwoch in Berlin. Vor der Sommerpause solle das Vorhaben aber in die Spur gesetzt werden - und damit rechtzeitig vor dem Ende der Amtszeit der großen Koalition.
Vor allem bei der Bilanzkontrolle müsse nachgeschärft werden, ergänzte der CDU-Finanzexperte Fritz Güntzler. Das zweistufige System aus der Bonner Finanzaufsicht BaFin und der als "Bilanzpolizei" bekanntgewordenen privatwirtschaftlichen DPR müsse abgeschafft werden, weil es im Fall des milliardenschweren Wirecard-Finanzskandals versagt habe. Dafür brauche es mehr Personal bei der BaFin, die künftig alleine zuständig sein sollte. Zudem sei unter der neuen BaFin-Führung eine kritischere Grundhaltung gegenüber großen Konzernen gefragt. Der designierte BaFin-Chef Mark Branson, der Mitte 2021 das Ruder in Bonn übernehmen und einen Kulturwandel befördern soll, bezeichnete die zweistufige Bilanzkontrolle im Finanzausschuss des Bundestags als unangemessen, weil eine klare Zuständigkeit fehle. "Diese Unklarheit ist Gift für eine Aufsicht."
Die SPD wirft der Union vor, deutliche strengere Regeln für Wirtschaftsprüfer zu blockieren. Hauer sagte, bei der geplanten Haftungsverschärfung werde die Union in der Grundrichtung mitgehen. Es müsse aber verhindert werden, dass die Konzentration auf dem Markt mit nur vier Hauptanbietern nicht noch stärker werde und so weniger Auswahl am Ende bestehe.
Aus Sicht der Union haben die Wirtschaftsprüfer von EY, die jahrelang die Bilanzen von Wirecard testiert haben, schwere Fehler gemacht. Die politische Verantwortung für das "kollektive Aufsichtsversagen" wird aber dem Koalitionspartner SPD zugeschoben, insbesondere Finanzminister Olaf Scholz und seinem Staatssekretär Jörg Kukies. Beide sollen nächste Woche im parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestags Rede und Antwort stehen. Es wird mit langen Befragungen gerechnet, vermutlich auch Nachtsitzungen. "Wir haben sehr viel Zeit", so Hauer.
Er warf dem Finanzministerium eine Mauertaktik vor, zahlreiche Dokumente seien immer wieder erst sehr spät übermittelt worden. Es gebe erhebliche Zweifel, dass das Finanzministerium die Fachaufsicht über die BaFin überhaupt ausgeübt habe, kritisierte Hauer. Hierfür würden vor allem SPD-Kanzlerkandidat Scholz und Kukies die Verantwortung tragen. SPD-Politiker Jens Zimmermann sagte, es gebe zwar viele Vorwürfe, aber nichts konkretes.
Der frühere Dax-Konzern Wirecard war im Juni 2020 nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite gerutscht. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bilanzfälschung, Betrug, Marktmanipulation und Geldwäsche. Mehrere Ex-Manager des Zahlungsabwicklers sitzen in Haft oder befinden sich auf der Flucht. Die Bundesregierung will mit dem sogenannten Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG), das im Dezember vom Kabinett gebilligt wurde, der BaFin mehr Durchgriffsrechte bei Bilanzprüfungen geben und Wirtschaftsprüfer enger an die Leine nehmen.
Neben Scholz und Kukies sollen nächste Woche auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im U-Ausschuss aussagen. FDP-Politiker Florian Toncar sagte, Merkel sei sicher nicht die Hauptverantwortliche für den Finanzskandal, habe sich aber in China für den dortigen Markteintritt von Wirecard eingesetzt - auf Druck von Lobbyisten wie dem früheren Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).