Reuters

Wirecard-Insolvenzverwalter will 1,5 Mrd Euro von EY

29.12.2023
um 16:02 Uhr

- von Alexander Hübner und Tom Sims

München (Reuters) - Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffe fordert 1,5 Milliarden Euro von EY, dem langjährigen Wirtschaftsprüfer des Zahlungsabwicklers.

Ein Sprecher des Landgerichts Stuttgart bestätigte am Freitag den Streitwert der Schadenersatzklage, die Jaffe kurz vor Weihnachten eingereicht hatte. Jaffe gibt den Wirtschaftsprüfern von EY, die die Bilanzen seit 2009 testiert hatten, eine Mitschuld daran, dass die Betrügereien bei Wirecard nicht früher aufgedeckt wurden. Er hält das angeblich lukrative Geschäft von Wirecard mit Drittpartnern in Asien für frei erfunden. 1,9 Milliarden Euro an Provisionen, die laut den Bilanz von Wirecard auf Treuhandkonten in Asien liegen sollten, hatten sich 2020 als nichtexistent entpuppt. Wirecard musste daraufhin Insolvenz anmelden.

Es "spricht "viel dafür, dass Schadenersatzansprüche gegen den Abschlussprüfer (...) bestehen, da dieser seine Pflichten bei der Prüfung der Jahresabschlüsse verletzt hat und kein beziehungsweise kein uneingeschränktes Testat hätte erteilen dürfen", schreibt Jaffe in dem Reuters vorliegenden jüngsten Sachstandsbericht an die Gläubiger von Wirecard. Das ergebe sich auch aus einem Gutachten, das er bei Wirtschaftsprüfern in Auftrag gegeben hatte. Auf einen Vergleich habe sich EY nicht eingelassen, weshalb er die Klage noch vor dem Jahreswechsel habe einreichen müssen, damit die Ansprüche nicht verjährten. Ein Sprecher Jaffes wollte sich zu deren Höhe nicht äußern.

Wie aus dem Sachstandsbericht hervorgeht, hat der Insolvenzverwalter außerdem die US-Investmentbank Citi vor dem Münchner Landgericht auf 140 Millionen Euro verklagt. Sie hatte noch wenige Monate vor der Insolvenz einen Aktienrückkauf in diesem Volumen für Wirecard abgewickelt. Doch Wirecard hätte sich den Rückkauf zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht mehr leisten können, argumentiert Jaffe in der Klage. Das "stellt einen Verstoß gegen aktienrechtliche Vorschriften dar, der wiederum zur Nichtigkeit der abgeschlossenen schuldrechtlichen Vereinbarungen führt", heißt es in dem Bericht. Die Bank habe die Ansprüche zurückgewiesen, weshalb er nun Klage eingereicht habe, um eine Verjährung zu verhindern.

Aufgabe des Insolvenzverwalters ist es, für die Gläubiger möglichst viel Geld herauszuholen. Sie haben nach der Pleite Milliardenforderungen gegen den ehemaligen Börsenstar angemeldet. Auch Ex-Finanzvorstand Burkhard Ley soll Geld zurückzahlen, wie aus dem Bericht hervorgeht. Jaffe fordert 815.000 Euro, die Ley noch 2020 von Wirecard bekommen habe, obwohl sein Beratervertrag Ende 2019 ausgelaufen sei. Die Staatsanwaltschaft München hatte Mitte Dezember Anklage gegen Ley erhoben. Sie wirft ihm unter anderem Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Betrug und Untreue vor, in seiner Zeit als Finanzvorstand (von 2006 bis 2017) und später als Berater.

JAFFE: BRAUNS THEORIE ABWEGIG

In seinem Bericht weist Jaffe auch die jüngsten Theorien des ehemaligen Vorstandschefs Markus Braun zum Drittpartner-Geschäft in Asien zurück. Brauns Anwalt Alfred Dierlamm hatte im Prozess um die Pleite von Wirecard vorgebracht, der flüchtige Vorstand Jan Marsalek und der mitangeklagte Statthalter in Dubai, Oliver Bellenhaus, hätten das lukrative Geschäft mit Partnern in Asien zu anderen Dienstleistern umgeleitet und sich selbst daran bereichert. Das hält Jaffe für abwegig. Es sei nicht plausibel, wie das Geschäft umgeleitet hätte werden können, "ohne auch nur irgendeine Spur im Unternehmen zu hinterlassen". Die Daten seien dahingehend sehr sorgfältig ausgewertet worden. Es gebe keine Nachweise, dass Wirecard je Händler an Drittpartner vermittelt hätte, die die Zahlungen im Auftrag abgewickelt hätten. Auch von der Insolvenzverwaltung befragte Mitarbeiter könnten sich nicht daran erinnern.

(Bericht von Alexander Hübner und Tom Sims, redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

Wirecard AG

WKN 747206 ISIN DE0007472060