Berlin (Reuters) - Die Ampel-Koalition will die Corona-Wirtschaftshilfen Mitte 2022 auslaufen lassen.
"Wir können diese Hilfssysteme nicht dauerhaft machen", sagte der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke am Donnerstag im Bundestag. Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP müssten hier einen Ausweg finden. Sie wollen den bei Ausbruch der Pandemie geschaffenen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) um sechs Monate bis Ende Juni 2022 verlängern. "Ab dann wird es keine neuen Beschlüsse mehr geben", so Fricke.
Parallel zur Verlängerung soll das Volumen deutlich reduziert werden, weil Betriebe mit Liquiditätsschwierigkeiten bisher viel weniger Hilfen als gedacht in Anspruch genommen haben. Bislang hat der WSF einen Umfang von 600 Milliarden Euro. 100 Milliarden davon waren für Eigenkapitalspritzen bei Firmen wie der Lufthansa vorgesehen. Nachdem bislang aber nur knapp neun Milliarden Euro genutzt wurden, wird der Rahmen hier auf 50 Milliarden gesenkt. 400 Milliarden Euro sind bislang für Garantien für Unternehmen eingeplant. Künftig sollen es nur noch 100 Milliarden Euro sein. Für Kredite der staatlichen Förderbank KfW sind 100 Milliarden Euro vorgesehen. Dieses Volumen soll unverändert bleiben.
Über den WSF hinaus hilft der Staat Unternehmen mit dem Kurzarbeitergeld sowie zahlreichen Förderprogrammen, etwa den Überbrückungshilfen, mit denen Firmen einen Großteil ihrer Fixkosten ersetzt bekommen können. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte, die Corona-Lage werde sein erstes Thema im neuen Amt sein. Unternehmen kämpften wieder mit Einbußen. "Wir werden uns noch einmal anschauen müssen, ob die Überbrückungsgelder ausreichend da sind", so der Grünen-Politiker. "Das hat sicherlich die größte Vordringlichkeit." Insgesamt summieren sich die Hilfen aus dem WSF sowie Zuschüssen wie den Überbrückungsgeldern laut dem Wirtschaftsministerium aktuell auf knapp 129 Milliarden Euro.
VOR ALLEM SELBSTSTÄNDIGE STEHEN OFT MIT DEM RÜCKEN ZUR WAND
Die AfD kritisierte im Bundestag, vor allem Großkonzerne würden vom WSF profitieren. Nach Angaben des Münchner Ifo-Instituts hat sich die Stimmung bei Selbstständigen und Firmen mit weniger als neun Beschäftigten zuletzt spürbar verschlechtert. "Die Kleinstunternehmen sind deutlich härter von der vierten Corona-Welle betroffen als die Großunternehmen", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Der neue Geschäftsklima-Index für diesen Bereich sank im November auf minus 6,2 Punkte, nach minus 0,5 Zählern im Oktober. Dies sei deutlich schlechter als der Index für die Gesamtwirtschaft.
Die Verlängerung des WSF wird nach Angaben von Abgeordneten nächste Woche abschließend im Bundestag beraten. Danach muss der Bundesrat noch zustimmen, was für den 17. Dezember vorgesehen ist.
Wegen der hohen Corona-Neuinfektionen und neuer Einschränkungen etwa im Einzelhandel sehen viele Experten ein Rezessionsrisiko im Winterhalbjahr. Nach Einschätzung der Kreditversicherer wird die Zahl der Unternehmens-Insolvenzen in Deutschland 2022 zum ersten Mal seit 13 Jahren wieder steigen. "Im besten Fall rechnen wir mit 15.500, im schlechtesten mit bis zu 17.000 Pleiten", sagte Thomas Langen, der Vorsitzende der Kommission Kreditversicherung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Für das zu Ende gehende Jahr erwartet der GDV 15.000 Pleiten, nachdem die Insolvenzantragspflicht wegen der Pandemie zeitweise ausgesetzt worden war. Nun zeigten sich die mittel- und langfristigen Folgen der Corona-Krise.
Der Einzelhandelsverband HDE rechnet wegen des Ausschlusses Ungeimpfter mit schweren Wintermonaten. "Für viele Händler droht ein schwieriges Weihnachtsgeschäft mit sinkenden Umsätzen", so HDE-Lobbyist Stefan Genth. Zwingend nötig sei daher die Verlängerung der Regelung zur vollständigen Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge bei Kurzarbeit über das Jahresende hinaus, mindestens bis Ende März.