Frankfurt (Reuters) - Die Zentralbanken müssen sich aus Sicht von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing mit Zinserhöhungen gegen die hochschießende Inflation stemmen.
"Die Notenbanken weltweit werden gegensteuern müssen", sagte Sewing am Dienstag auf dem digitalen Neujahrsempfang des Geldhauses. In den USA gelte es als ausgemacht, dass die Fed im März zum ersten Mal die Zinsen anhebe. "Bis Jahresende erwarten unsere Volkswirte mindestens drei weitere Schritte. Und auch die EZB wird nachziehen müssen", sagte der Chef von Deutschlands größtem Finanzinstitut.
Angesichts der gestiegenen Inflationsgefahren war die Europäische Zentralbank (EZB) vergangene Woche ein Stück weit von ihrer Absage an eine Zinswende in diesem Jahr abgerückt. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte nach der Ratssitzung am Donnerstag ihre frühere Aussage nicht mehr wiederholt, dass eine Erhöhung 2022 sehr unwahrscheinlich sei. Die EZB werde nun sorgfältig die weiter hereinkommenden Daten auswerten und dann im März eine Entscheidung treffen, sagte sie. Ob die EZB dann allerdings bereits auf eine straffere Linie umschwenken wird, ließ Lagarde offen.
"Nachdem die Euro-Zone de facto mehr als ein Jahrzehnt zinsfrei gelebt hat, würde ich hier von einem historischen Wendepunkt sprechen", sagte Sewing. Die Analysten seines Hauses erwarteten einen Zinsschritt bei der EZB für das vierte Quartal. "Natürlich kann das nicht ein Hochschießen bedeuten, sondern das muss balanciert gemacht werden aufgrund der Schuldensituation, die wir in den europäischen Ländern haben", sagte Sewing.
HOHE SCHULDENSTÄNDE BEREITEN SEWING SORGEN
Dem Deutsche-Bank-Chef bereiten die auch weltweit hohen Schulden von Unternehmen, Staaten und Privatpersonen Sorgen. Bereits 2020 sei der Schuldenberg weltweit mit insgesamt 226 Billionen US-Dollar so hoch gewesen wie nie zur. Und 2021 sei es weiter nach oben gegangen. "Diese Schuldenlast ist auf Dauer schlicht nicht tragbar und ein ständiger potenzieller Brandherd für die weltweiten Finanzmärkte," warnte er.
Sewing äußerte sich auch zum umstrittenen Thema der gemeinsamen Einlagensicherung für Sparer in Europa. Auch von Seiten des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) seien hierzu Vorschläge gemacht worden, um keine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung zu haben sondern in einem ersten Schritt eine Liquiditätsabsicherung, sagte er. "Ich glaube, es geht jetzt darum, die richtigen Kompromisse zu setzen." Die Voraussetzung für einen tieferen Kapitalmarkt sei die Vollendeung der Bankenunion.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) äußerte sich auf der Veranstaltung dazu eher vorsichtig. "Ich persönlich bin der Meinung, dass es ordnungspolitisch nicht empfehlenswert ist, eine gemeinsame Einlagensicherung in Europa zu schaffen, sondern, dass es immer eine starke nationale Komponente gibt", sagte er. Am Ende seien die einzelnen Mitgliedsländer auch verantwortlich für ihren privaten Bankensektor. "So wenig wie wir eine Vergemeinschaftung von Staatsverschuldung wollen können, aus ordnungspolitischen Gründen, können wir eine vollständige Vergemeinschaftung der Risiken des privaten Sektors wollen," sagte er.