- von Klaus Lauer und Rene Wagner
Berlin (Reuters) - Die geplanten Chipfabriken von Intel werden Ökonomen zufolge vor allem den Standort Magdeburg stärken - aber kaum Ostdeutschland als Ganzes.
Sachsen-Anhalts Hauptstadt komme die Ansiedlung ohne Frage zugute in puncto steigender Löhne und Steuermehreinnahmen, sagte Ifo-Experte Joachim Ragnitz der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. "Für die Stadt ist das ein Glückfall." Er sehe aber nicht so große Ausstrahleffekte in die Region, die man sich immer erhoffe, fügte der Experte für Strukturwandel und regionale Entwicklung hinzu. Er erwarte auch nicht, dass "Ostdeutschland insgesamt davon profitieren könnte". Denn Ostdeutschlands Arbeitsmärkte seien weitgehend leer gefegt.
Intel kündigte an, dass in Magdeburg zwei Halbleiter-Chipfabriken ab der ersten Jahreshälfte 2023 gebaut werden und 2027 die Produktion aufnehmen sollen. Die Investition soll sich auf 17 Milliarden Euro belaufen und 3000 direkte High-Tech-Jobs schaffen sowie tausend weitere Arbeitsplätze bei Zulieferern und Partnern.
PROBLEM DEMOGRAFIE - WO SOLLEN DIE FACHKRÄFTE HERKOMMEN?
"Die Ansiedlung eines weiteren Industrieunternehmens in Magdeburg, das hochwertige Produkte produziert und vergleichsweise hohe Löhne zahlt, wäre ein wichtiger Schritt nach vorne", sagte Oliver Holtemöller, Vizepräsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), zu Reuters. Auch kleinere Zulieferer im Umland könnten profitieren. Investoren würden künftig stärker auf das gesamte Bundesland schauen. "Man darf aber nicht vergessen, dass die Demografie das Hauptproblem in Sachsen-Anhalt ist", warnte Holtemöller. Außerhalb der beiden großen Städte Magdeburg und Halle werde es für Unternehmen immer schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden. "Natürlich werden da viele Arbeitsplätze entstehen", sagte Ifo-Experte Ragnitz. "Aber die benötigten Fachkräfte dürften nur zu einem kleinen Teil aus Ostdeutschland kommen." Vermutlich habe Intel sich für Magdeburg entschieden, weil man da auch Arbeitskräfte aus Braunschweig und von dessen Technischer Universität anwerben könne. Auch die Nähe zu Berlin dürfte eine Rolle gespielt haben.
Die Ökonomen sehen auch Folgen der Großinvestition, die sich für den einen zwar positiv, für den anderen aber negativ auswirken dürften. Einerseits entstünden gut bezahlte Arbeitsplätze, für die man nach Magdeburg pendeln könne, sagte Holtemöller. "Das wiederum setzt andere Unternehmen unter Druck, die Löhne anzupassen, so dass auch Beschäftigte profitieren dürften, die selber nicht bei Intel arbeiten." Ifo-Experte Ragnitz sieht hier sogar das Geschäftsmodell vieler Firmen in Gefahr, die auf niedrige Arbeitskosten setzten. Denn um Mitarbeiter zu halten, steige bei solchen Betrieben der Druck ebenfalls höhere Löhne zu zahlen. "Womöglich verschwinden dann einige Unternehmen, die im Niedriglohnsegment unterwegs sind", sagte der stellvertretende Leiter der Niederlassung des Ifo-Instituts in Dresden.