(neu: Union Investment, Kurs, weitere Details)
Washington/Frankfurt (Reuters) - Herber Rückschlag für Bayer im Glyphosat-Streit: Die Aussichten des Agrar- und Pharmakonzerns schwinden, seine Berufung im milliardenschweren Rechtsstreit um angebliche Krebsrisiken seines glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup vor dem Obersten Gericht der USA voranzutreiben.
Gegenwind kommt von der US-Regierung von Präsident Joe Biden. Generalstaatsanwältin Elizabeth Prelogar, die die Regierung vor dem Supreme Court vertritt, riet dem Gericht von der Annahme des Berufungsantrags von Bayer ab. Das Leverkusener Unternehmen hofft zwar weiter auf eine Annahme des Falls, das Gericht folgt aber im Allgemeinen den Empfehlungen des Generalstaatsanwalts.
Anleger nahmen Reißaus, auch wenn Bayer schon vor einem Jahr mit milliardenschweren Rückstellungen für eine mögliche Niederlage vor dem Supreme Court vorgesorgt hatte. Bayer-Aktien fielen am Mittwoch in der Spitze um mehr als zehn Prozent und waren mit Abstand größter Dax-Verlierer.
Nach Einschätzung von Portfoliomanager Markus Manns von der Fondsgesellschaft Union Investment, die zu den 20 größten Anteilseignern bei Bayer gehört, ist die Unsicherheit nun deutlich gestiegen. Manns geht davon aus, dass sich in den nächsten Jahren neue Fälle anhäufen werden und "Investoren wieder mit negativem Newsflow wie Klagen, verlorenen Prozessen und Schadenersatzzahlungen konfrontiert werden", erklärte er. "Der Kauf von Monsanto war trotz kommerzieller Logik ein Fehler. Bayer hat die Risiken komplett unterschätzt." Das Geld für die Rückstellung hätte Bayer nach seiner Aufassung gut für Pharmazukäufe verwenden können.
Mit der milliardenschweren Übernahme des Glyphosat- und Roundup-Entwicklers Monsanto hat sich Bayer eine Klagewelle wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Herbizids ins Haus geholt, die das Unternehmen seit Jahren schwer belastet. In einem dieser Fälle - dem des Kaliforniers Edwin Hardeman, der seine Krebserkrankung auf die Verwendung von Roundup zurückführte und dem 25 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen worden waren - war Bayer bis vor den Obersten Gerichtshof gezogen. Das Unternehmen erklärte, es sei "weiterhin überzeugt, dass es gute rechtliche Argumente für den Supreme Court gibt, den Fall Hardeman zu überprüfen und das Urteil zu korrigieren."
Die US-Umweltschutzbehörde EPA habe mehrfach festgestellt, dass glyphosatbasierte Unkrautvernichter sicher genutzt werden könnten und nicht krebserregend seien. "Daher wäre eine Krebswarnung auf diesen Produkten falsch und irreführend und wird durch das relevante Bundesgesetz ausgeschlossen", erklärte Bayer. Das sieht Generalstaatsanwältin Prelogar indes anders: Die Genehmigung des Unkrautvernichters durch die US-Umweltschutzbehörde EPA ohne eine Warnung vor bestimmten chronischen Risiken "hebt an sich nicht die Verpflichtung auf, solche Warnhinweise zu geben", schrieb sie in ihrer am Dienstag veröffentlichen Stellungnahme.
Die Entscheidung liegt nun in den Händen des Supreme Court. Dass dieser im Dezember die US-Regierung zu einer Einschätzung aufgefordert hatte, ob er den Fall annehmen soll, hatte zunächst darauf hingedeutet, dass die Richter an einer Anhörung interessiert sind. Bayer will nun eine weitere Stellungnahme bei dem Gericht einreichen.
BAYER HAT SICH SCHON FÜR NIEDERLAGE GEWAPPNET
Für den Fall, dass das Gericht den Fall nicht annimmt oder im Sinne der Kläger urteilt, hat Bayer schon zusätzliche Rückstellungen von 4,5 Milliarden Dollar gebildet. Zudem wurde ein umfassender Plan zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten aufgelegt, um in den kommenden 15 Jahren mit Forderungen neuer Kläger umzugehen. Für ein Urteil des Gerichts zugunsten Bayers hatte Vorstandschef Werner Baumann aber gute Gründe gesehen, da die EPA selbst Warnhinweise vor möglichen Krebsgefahren verboten hat. Eine Entscheidung des Supreme Courts zugunsten Bayers würde nach Baumanns Einschätzung mögliche künftige Rechtsstreitigkeiten im Grunde beenden. Die Chancen dafür sehen nun aber schlecht aus.
Bislang hat Bayer drei Prozesse in erster Instanz mit millionenschweren Schadenersatzzahlungen verloren und in allen bisherigen Berufungsverfahren Niederlagen erlitten. Darunter ist auch der Fall Hardeman. 2021 hatte Bayer erstmals auch zwei Glyphosat-Fälle vor Geschworenengerichten gewonnen, die in dem Herbizid nicht die Ursache der Krebserkrankungen der Kläger sahen. Die Vorwürfe gegen Glyphosat hat Bayer stets zurückgewiesen. Behörden weltweit haben das Mittel als nicht krebserregend eingestuft. Allein die Krebsforschungsagentur IARC bewertete den Wirkstoff 2015 als "wahrscheinlich krebserregend". Auf diese Einschätzung beriefen sich die Kläger.
Um die Klagewelle vom Tisch zu bekommen, hatte Bayer im Sommer 2020 einen milliardenschweren Vergleichsplan über 11,6 Milliarden Dollar bekanntgegeben. Zuletzt standen noch für rund 31.000 der insgesamt 138.000 eingereichten und drohenden Klagen Einigungen aus.