- von Markus Wacket und Timothy Heritage
Berlin/London (Reuters) - Der Konflikt mit Russland im Zuge des Ukraine-Kriegs spitzt sich zu und trifft mit der Gas-Versorgung Deutschlands empfindlichste Stelle.
Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte am Donnerstag im Bundestag, einige Töchter der von Deutschland unter Treuhandschaft genommenen Gazprom Germania erhielten kein Gas mehr. Es gebe aber Alternativen, sagte der Minister ohne Details zu nennen. Zuvor hatte Russland das Unternehmen auf eine Sanktionsliste gesetzt. Gazprom Germania gehört zu den größten Gas-Firmen in Deutschland und betreibt den Transport, Vertrieb und die Speicherung von Erdgas. Die möglichen Folgen der Sanktion blieben zunächst unklar. Theoretisch könnte es sein, dass die vergleichsweise günstigen Lieferverträge mit Gazprom nun mit Hilfe anderer Firmen ersetzt werden müssen. Das würde höhere Preise bedeuten.
Trotz des Kriegs - den Russland Spezialoperation nennt - war Deutschland bisher mit russischer Kohle, Öl und Gas beliefert worden. Besonders beim Gas ist Deutschland abhängig von russischen Lieferungen per Pipeline. Bis mindestens 2024 sei man trotz aller Anstrengungen, russisches Gas etwa durch Flüssiggas-Lieferungen zu ersetzen, auf Russland angewiesen, hatte die Regierung gesagt.
Deutschland hatte Gazprom Germania zur Sicherung der Gasversorgung unter Treuhandschaft genommen, nachdem der russische Energieriese Gazprom das Unternehmen aufgeben wollte. Die Sanktionen gelten auch als Gegenreaktion auf das deutsche Vorgehen. Auf der Internetseite der Regierung in Moskau wurden insgesamt 31 Unternehmen aufgelistet, gegen die Sanktionen erlassen werden, darunter der Eigner des polnischen Abschnitts der Jamal-Europa Erdgas-Pipeline, EuRoPol GAZ PA. Diese Unternehmen würden keine Gaslieferungen mehr von Russland erhalten, erläuterte Regierungssprecher Dmitri Peskow. "Sanktionen blockieren, deshalb kann es weder Beziehungen mit diesen Unternehmen geben noch können sie Lieferungen erhalten." Weitere Details nannte er nicht.
LIEFERUNGEN ÜBER UKRAINE STOCKEN WEITER
Unabhängig von den Sanktionen stocken auch die Lieferungen über die Ukraine weiter. Am Mittwoch war etwa ein Viertel weniger Gas als sonst üblich über diese Route in Deutschland angekommen. Am Donnerstag buchte Gazprom erneut etwa 28 Prozent weniger über diese Verbindung. Die Ukraine macht dafür die Kämpfe in der Region Luhansk und die russische Seite verantwortlich, da eine Verdichterstation nicht mehr betrieben werden könne. Russland und Gazprom weisen dies zurück. Eine von der Ukraine geforderte Umleitung über eine andere Route sei technisch nicht möglich. Derzeit fließt nach Netzbetreiber-Daten auf dieser Teil-Verbindung kein Gas. EU-Energie-Kommissarin Kadri Simso will wegen des Problems noch am Donnerstag mit der ukrainischen Seite sprechen.
Laut Wirtschaftsminister Habeck waren zuletzt Norwegen und die Niederlande für Deutschland zum Ausgleich mit zusätzlichen Gas-Lieferungen eingesprungen. Der größte Teil des Gases aus Russland erreicht Deutschland über Nordstream I und die Jamal-Pipeline, die nicht über die Ukraine führen. Habeck wollte aber nicht spekulieren, was eine dauerhafte Einschränkung des Gasflusses über die Ukraine bedeuten würde. In Branchenkreisen hieß es, dies könnte das Füllen der Speicher für den Winter gefährden.
Ein weiterer Konflikt könnte drohen, wenn Russland die Euro oder Dollar-Zahlungen für Gas aus dem Westen nicht mehr akzeptieren sollte. Russland hatte neue Regelungen mit Rubel-Zahlungen verlangt, die aber als unklar gelten. Der Versorger RWE erklärte, man sei hier in engem Kontakt mit der Bundesregierung und erwarte Klarstellungen in Kürze. Viele Rechnungen müssen im Mai beglichen werden. Dann wird sich voraussichtlich zeigen, ob sie akzeptiert werden.