München (Reuters) - Der Strafprozess um die milliardenschwere Pleite des Finanzkonzerns Wirecard wird gegen den Willen mehrerer Verteidiger fortgesetzt.
Das Landgericht München wies am Mittwoch die Aussetzungsanträge von Verteidigern des früheren Wirecard-Chefs Markus Braun und des ebenfalls angeklagten Chefbuchhalters zurück, wie das Gericht mitteilte. Allerdings setzten die Richter die kommenden drei Verhandlungstage ab und kamen damit den Verteidigern entgegen, die mehr Zeit für die Durchsicht umfangreicher neuer Ermittlungsakten gefordert hatten. Der Prozess soll nun am 8. Februar fortgesetzt werden. Damit wird Brauns erste persönliche Stellungnahme in dem Prozess auch erst im Lauf des Februar erwartet.
Die Verteidiger von zwei der drei Angeklagten hatten der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, sie habe Berge von Dokumenten zurückgehalten und reiche diese erst seit dem Prozessbeginn im Dezember stückweise nach. Damit werde das Recht der Angeklagten auf ein faires Verfahren verletzt. Deswegen müsse die Gerichtsverhandlung abgebrochen und zu einem späteren Zeitpunkt neu begonnen werden.
Dem widersprach die Strafkammer nun: Die voraussichtliche Verfahrensdauer von über einem Jahr biete die Gelegenheit, auch auf nachgelieferten Akten beruhende Möglichkeiten zur Verteidigung zu nutzen. Zudem stellte das Gericht den Verteidigern in Aussicht, bei der Terminierung und dem Verfahrensablauf ausreichend Vorbereitungszeit bei nachträglich eingegangenen Unterlagen zu gewähren.
Dem Gericht zufolge gibt es keine Rechtsmittel gegen die Ablehnung ihrer Anträge. Die Entscheidung könnte jedoch nach einem Urteil ein Nachspiel haben: Die Verteidiger könnten Prozessbeteiligten zufolge versuchen, mit Verweis auf die Ablehnung ihrer Anträge ein späteres Urteil anzufechten.
Wirecard war im Juni 2020 zusammengebrochen, als bekannt wurde, dass in der Kasse 1,9 Milliarden Euro fehlten. Angeklagt sind deswegen drei ehemalige Manager des Dax-Konzerns wegen Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Untreue und Bandenbetrug. Brauns Verteidiger haben die Vorwürfe zurückgewiesen. Einer der drei Angeklagten hat in dem Prozess bereits umfassend ausgesagt und die beiden anderen Manager schwer belastet. Die Äußerungen dieses Kronzeugen sollen am 8. Februar zunächst weiter Thema der der Verhandlung sein.
(Bericht von Jörn Poltz, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)