Berlin (Reuters) - Bundesbankchef Joachim Nagel sieht keine neue Finanzkrise heraufziehen und spricht sich wegen der stark steigenden Preise für eine weitere Erhöhung der Zinsen in der Euro-Zone aus.
"Unser Kampf gegen die Inflation ist noch nicht vorbei", sagte er der "Financial Times" (Mittwochausgabe). Er habe nach wie vor den den Eindruck, dass "der Preisdruck in der gesamten Wirtschaft stark und breit angelegt ist". "Es liegt noch ein weiter Weg vor uns, aber wir nähern uns dem restriktiven Bereich", sagte er mit Blick auf das Zinsniveau. Das EZB-Ratsmitglied sprach sich zudem dafür aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Forderungen nach einer Zinssenkung widerstehen müsse, nachdem sie mit ihren Anhebungen aufgehört hat.
Nagel sieht derzeit keine Gefahr einer Ansteckung des "widerstandsfähigen" Bankensystems der Eurozone. "Wir stehen nicht vor einer Wiederholung der Finanzkrise von 2008", sagte der Bundesbankchef. "Wir können das bewältigen." Der deutsche Notenbankchef schloss nicht aus, dass die europäischen Banken nach den Turbulenzen um die angeschlagene Credit Suisse und der Pleite der Silicon Valley Bank bei der Kreditvergabe nun vorsichtiger werden. Eine Kreditklemme befürchtet er aktuell aber nicht. Es sei "zu früh", um zu diesem Schluss zu kommen. Als Kreditklemme wird eine unzureichende Kreditvergabe an die Realwirtschaft bezeichnet, die die Konjunktur empfindlich treffen kann.
Viele Experten sehen die EZB aktuell in einer schwierigen Lage, da sie eine drohende Finanzkrise und stark steigende Preise gleichzeitig bekämpfen muss. Sie hat ihren Leitzins in der vergangenen Woche das sechste Mal in Folge angehoben, und zwar von 3,0 auf 3,5 Prozent. Das macht Kredite für Investitionen teurer, kann dadurch die Nachfrage dämpfen und so die Inflation bremsen - aber auch die Konjunktur. Die Teuerung hält sich hartnäckig auf hohem Niveau. Im Februar kletterten die Verbraucherpreise um 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflationsrate von zwei Prozent an, wird dieses Ziel aber nach eigener Einschätzung noch längere Zeit verfehlen.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Myria Mildenberger - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)