Reuters

Ansätze für Regulierung von ChatGPT & Co

14.06.2023
um 14:12 Uhr

(Reuters) - Seit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 beherrscht der Begriff Künstliche Intelligenz (KI) die Schlagzeilen.

Fast täglich stellen Unternehmen neue Anwendungen auf Basis dieser Technologie vor. Gleichzeitig ist ein Wettlauf um die Technologie-Führerschaft bei der sogenannten Generativen KI entbrannt. Diese Programme können menschliche Interaktionen simulieren und anhand einiger Stichworte Texte oder Bilder erstellen. Ganz vorne sind hier Microsoft, der Hauptaktionär des ChatGPT-Entwicklers Open AI und der Internet-Konzern Google mit seiner KI "Bard".

In die anfängliche Euphorie mischt sich immer häufiger Skepsis. Kritiker weisen auf die Risiken hin: Da sich von Generativer KI erstellte Texte und Bilder kaum als solche identifizieren ließen, könnten diese für Desinformation missbraucht werden. Außerdem gebe es Datenschutz-Bedenken. Führende KI-Experten warnten in einem offenen Brief sogar vor einem möglichen Ende der Menschheit. Dies hat weltweit die Politik auf den Plan gerufen, die einen Rechtsrahmen für diese Technologie aufbauen will.

Nachfolgend eine Aufstellung verschiedener Initiativen:

EUROPÄISCHE UNION - Bringt Gesetz auf den Weg

Nach zwei Jahren Arbeit verabschiedet das Europäische Parlament ein KI-Gesetz. Dieses muss nun noch mit der EU-Kommission und den einzelnen Staaten der Gemeinschaft im sogenannten Trilog abgestimmt werden. Angestrebt wird eine Einigung im laufenden Jahr. Den EU-Plänen zufolge sollen KI-Anwendungen in bestimmte Risikoklassen eingestuft werden, an denen sich der Umfang der gesetzlichen Beschränkungen orientiert. Einiges wie die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum wird verboten.

Da es inklusive von Übergangsfristen aber noch mehrere Jahre dauert, bis der "AI Act" greift, will die EU die Zeit bis dahin mit einer freiwilligen Selbstkontrolle der Unternehmen überbrücken. Hierfür will sie die großen Technologiekonzerne und maßgebliche KI-Entwickler ins Boot holen.

Der europäische Verbraucherschutzverband BEUC fordert parallel dazu von den Behörden der EU-Staaten eine Untersuchung der Technologie auf mögliche schädliche Auswirkungen. Die EU-Datenschützer haben nach eigenen Angaben bereits eine Task Force eingerichtet. Außerdem fordert ein Dutzend Europa-Parlamentarier einen internationalen Gipfel zur KI-Regulierung.

DEUTSCHLAND - PLANT KEINE EIGENE REGULIERUNG

Die Bundesregierung plant keine eigenen, speziellen KI-Vorschriften. Im November 2022 verwies sie in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage auf die Unesco-Empfehlung zur Ethik der KI von 2021 sowie das Gesetzesvorhaben auf europäischer Ebene.

G7 - WOLLEN GEMEINSAME LEITLINIEN ERARBEITEN

Die Gruppe der sieben führenden demokratischen Industriestaaten (G7) ruft den "Hiroshima-KI-Prozess" ins Leben. Dort sollen Standards für vertrauenswürdige KI entwickelt werden, die im Einklang mit den "gemeinsamen demokratischen Werten" stehen sollen. Erste Leitlinien sollen Ende 2023 vorliegen.

ITALIEN - VERBIETET CHATGPT ZEITWEISE

Wegen möglicher Verstöße gegen Datenschutz-Gesetze und einer laxen Alterprüfung sperrten die italienischen Behörden den Zugang der dortigen Nutzer zu ChatGPT vorübergehend. Unter Auflagen ist diese KI dort wieder erreichbar.

UN/CHINA/GROSSBRITANNIEN - PLANEN REGULIERUNG

Die Vereinten Nationen (UN) plädieren für den Aufbau einer KI-Aufsicht nach dem Vorbild der Internationalen Atomenergie-Behörde. UN-Generalsekretär Antonio Guterres befürwortet ein solches Vorhaben, betont aber, dass "nur die Mitgliedsstaaten eine solche Organisation aufbauen können, nicht das UN-Generalsekretariat". Die UN will zudem bis zum Jahresende ein KI-Beratergremium ins Leben rufen und regulatorische Empfehlungen erarbeiten.

Die chinesische Internet-Behörde hat bereits einen Entwurf für eine Regulierung von KI vorgelegt. Ziel sei die Förderung dieser Technologie, die allerdings mit den sozialistischen Grundwerten der Volksrepublik übereinstimmen müsse. Nun sollen die Unternehmen ihre Einschätzungen hierzu abgeben. Die Regierung in Peking betrachtet KI als wichtiges Zukunftsfeld und will Entwicklern große Freiheiten lassen.

In Großbritannien soll die Überwachung von KI zwischen den Wettbewerbshütern und der Aufsicht für die Einhaltung von Menschenrechten aufgeteilt werden. Eine eigene KI-Behörde sei nicht geplant. Parallel dazu prüft die Wettbewerbsaufsicht die Auswirkungen von KI auf Verbraucher und Unternehmen. Auf dieser Grundlage solle über mögliche neue Kontrollen entscheiden werden.

USA/AUSTRALIEN/IRLAND/NIEDERLANDE - SAMMELN INFORMATIONEN

Ein US-Gesetzentwurf sieht vor, eine KI-Taskforce zu bilden. Diese soll ermitteln, wie sich Risiken für Datenschutz oder Bürgerrechte minimieren lassen. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden will zudem Einschätzungen dazu einholen, in welchem Umfang die Anbieter von Generativer KI verantwortlich für eventuelle Risiken dieser Technologie sind.

Die US-Kartellbehörde FTC kündigte an, bestehende Gesetze ausschöpfen zu wollen, um einige der Risiken von KI einzudämmen. So könnten die große Cloud-Anbieter wie Microsoft, Google oder die Amazon-Sparte AWS durch den Trend zu KI noch mächtiger werden. Außerdem könnte KI für Preisabsprachen genutzt werden.

Die australische Regierung bittet dem Industrie- und Forschungsministerium zufolge den Wissenschaftsbeirat um eine Einschätzung zu möglichen Regulierungsansätzen. Darüber hinaus erwäge sie weitere Schritte. Details wurden zunächst nicht genannt.

Der Chef-Datenschützer Irlands betont die Notwendigkeit der Regulierung von ChatGPT & Co. Allerdings müssten die Behörden zunächst die notwendige Expertise erlangen, damit die Gesetze auch Bestand hätten.

Auch seine Kollegen aus den Niederlanden wollen sich ein genaueres Bild über den Umgang von KI mit persönlichen Daten der Nutzer machen. Sie haben bei OpenAI Informationen hierüber angefordert.

FRANKREICH/SPANIEN/JAPAN - UNTERSUCHEN MÖGLICHE VERGEHEN

Die französische Datenschutz-Behörde CNIL geht diversen Beschwerden wegen angeblicher Verletzung von Persönlichkeitsrechten nach. Ungeachtet der Warnungen von Bürgerrechtlern nickte die Nationalversammlung die Nutzung von KI-gestützter Videoüberwachung während der Olympischen Spiele 2024 in Paris ab.

Spanische Datenschützer leiteten wegen möglicher Datenschutz-Verletzungen Vorermittlungen ein. Außerdem baten sie die EU-Datenschutzbehörde um eine Einschätzung.

Japans Aufseher warnen ChatGPT-Macher OpenAI vor der Sammlung sensibler Daten ohne ausdrückliche Zustimmung der Nutzer. Außerdem müsse der Umfang der Informationen so gering wie möglich gehalten werden. Die Behörde hält sich die Option für weiter gehende Schritte offen.

(Zusammengestellt von Amir Orusov, Hakan Ersen und Alessandro Parodi; redigiert von Sabine Wollrab und Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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