Reuters

Wirtschaft setzt auf Entspannung mit China

16.06.2023
um 15:17 Uhr

Berlin (Reuters) - Vertreter der Wirtschaft aus China und Deutschland hoffen auf eine Stärkung der bilateralen Beziehungen.

Am Montag wollen zahlreiche Unternehmenschefs beider Staaten in Berlin mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang zusammenkommen. Am Dienstag ist im Rahmen deutsch-chinesischer Regierungskonsultationen ein Wirtschaftsforum unter Beteiligung von Li, Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck geplant. Dabei soll es vor allem um Nachhaltigkeit gehen. Der Chef der Chinesischen Handelskammer in Deutschland, Wei Duan, verwies in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters auf großes Interesse: "Wir haben fast jede Woche eine Delegation aus China."

Li Qiang ist von Sonntag bis Mittwoch in Deutschland, was auf seiner ersten Auslandsreise als deutliches Signal gilt, dass Peking trotz geopolitischer Spannungen Interesse an guten Beziehungen zur Bundesrepublik hat. Li wird am Montag zunächst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier treffen und am Abend dann Kanzler Scholz. Am Dienstag will er nach München reisen. Scholz hatte die Regierungskonsultationen mit Peking begrüßt, auch wenn es Debatten gibt, wie diese zur gerade veröffentlichten Nationalen Sicherheitsstrategie passt, in der China vor allem als Rivale und Wettbewerber und erst dann als Partner bezeichnet wird. Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt sagte, die Bundesregierung werde nächste Woche bei den Konsultationen viele Themen ansprechen. Es brauche faire Wettbewerbsbedingungen in puncto Subventionen und Umgang mit Staatskonzernen. Deutsche Firmen müssten eine faire Chance bekommen.

Nach Angaben der Bundesregierung ist noch immer offen, wer von chinesischer Seite nach Berlin kommen wird. Außenminister Qin Gang etwa hat seine Teilnahme kurzfristig wieder abgesagt. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wird zwar mit ihm telefonieren, in Berlin aber nur auf seinen Stellvertreter treffen. Auch der Counterpart von Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) kommt nicht. In deutschen Regierungskreisen wird von möglichen politischen Motiven gesprochen: Baerbock werde für die China-kritische Sicherheitsstrategie verantwortlich gemacht, Stark-Watzinger hatte Taiwan besucht, das China als abtrünnige Provinz ansieht.

FÜHRENDE WIRTSCHAFTSVERTRETER TREFFEN LI

An dem Wirtschaftstreffen mit Li nehmen nach Angaben der Unternehmen unter anderem die Chefs von Mercedes-Benz, SAP und Siemens Energy teil. Auch der Audi-Chef werde teilnehmen, sagte ein Insider. Ein Sprecher von Mercedes-Benz, das die chinesische Beijing Automotive Group und den Geely-Vorsitzenden Li Shufu zu seinen Hauptaktionären zählt, sagte, Themen seien das Engagement von Mercedes in China und die laufende Öffnung des chinesischen Marktes nach der Corona-Pandemie. Siemens-Chef Roland Busch, der auch Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft (APA) ist, werde ebenfalls teilnehmen, hieß es. "Die Devise muss lauten: Einseitige Abhängigkeiten überwinden, aber nicht durch weniger Geschäfte mit China, sondern durch mehr Geschäfte mit anderen Ländern", hatte Siegfried Russwurm, Chef des Industrieverbandes BDI, im Mai gesagt.

Der China-Experte des Merics-Instituts, Bernhard Bartsch, bezeichnete das Land als "unsicherer und weniger berechenbar" als früher. "Gerade für Unternehmen ist China heute nicht mehr der Markt der Zukunft, sondern das Klumpenrisiko der Zukunft", fügte er in Anspielung auf die Bemühungen westlicher Staaten nach mehr Unabhängigkeit von China hinzu. Hingegen warb der Hauptgeschäftsführer der Chinesischen Handelskammer in Deutschland, Wei Duan, für engere Beziehungen und sprach von einer "gegenseitigen Abhängigkeit" deutscher und chinesischer Firmen. "Wir haben fast jede Woche eine Delegation aus China", sagte er Reuters. Das Interesse an deutschen Investoren, Partnern und Standorten für Fabriken sei sehr hoch. Viele chinesische Firmen seien aber besorgt über das chinakritischere Bild in der deutschen Öffentlichkeit.

Dies trifft zusammen mit einer relativen Wachstumsschwäche der chinesischen Volkswirtschaft: Vier große westliche Banken senkten ihre Prognosen für das Wachstum in der Volksrepublik nach zuletzt enttäuschenden Konjunkturdaten. Das Bruttoinlandsprodukt der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft dürfte nach den Vorhersagen von UBS, Standard Chartered, Bank of America und JPMorgan in diesem Jahr zwischen 5,2 und 5,7 Prozent zulegen. Bislang lag die Spanne bei 5,7 bis 6,3 Prozent.

(Bericht von Andreas Rinke, Ilona Wissenbach, Hakan Ersen, Christoph Steitz, Ludwig Burger, Rene Wagner und Christian Krämer; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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