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Bayer sucht neue Strategie - "Nichts ist vom Tisch"

08.08.2023
um 17:42 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Der neue Bayer-Chef Bill Anderson hält sich bei der laufenden strategischen Überprüfung des Pharma- und Agrarkonzerns alle Türen offen.

"Einfach ausgedrückt: Nichts ist vom Tisch. In meinen ersten Monaten im Unternehmen habe ich schwierige Fragen gestellt, und mir wurden viele schwierige Fragen gestellt", sagte Anderson am Dienstag bei der Vorlage seiner ersten Quartalsbilanz. "Wir sind für alles offen, und wir lassen nichts unversucht, und das ist die Einstellung, mit der wir unsere Strategie und unsere Struktur angehen."

Auch eine von manchen Investoren geforderte Aufspaltung des Traditionskonzerns schloss der ehemalige Roche-Pharmachef nicht aus. Es sei die Frage, "ob wir mit unserem Aufbau mit den drei Abteilungen und der Art von Konzernzentrale über die Struktur verfügen, die es uns ermöglicht, für jedes dieser Unternehmen das beste Zuhause zu sein." Wenn der Vorstand zum Schluss komme, dass die Struktur geändert werden müsse, werde er dies tun. Bayer wolle seine Investoren in den kommenden Monaten über seine Überlegungen auf dem Laufenden halten und Anfang 2024 detaillierte Pläne und Finanzziele veröffentlichen.

Seit Jahren machen immer wieder Spekulationen über eine Aufspaltung von Bayer die Runde - zuletzt befeuert durch den Einstieg aktivistischer Investoren. Die deutsche Fondsgesellschaft Union Investment sieht eine Abspaltung des Geschäfts mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten als Option, um die Stimmung unter den Eigentümern zu drehen. Eine Aufspaltung könnte den Kursabschlag bei Bayer beseitigen, da Konglomerate oft niedriger bewertet werden als ihre Einzelteile. An der Börse ist das ehemals wertvollste deutsche Dax-Unternehmen nur noch gut 51 Milliarden Euro wert und damit viel weniger als es einst für die 63 Milliarden Dollar teure Monsanto-Übernahme ausgab.

"WIR MÃœSSEN EHRLICH ZU UNS SELBST SEIN"

Anderson hatte erst im Juni das Ruder bei Bayer übernommen. Anleger erwarten von ihm vor allem eine Zurückgewinnung des Investorenvertrauens und eine Überprüfung der Konzernstruktur mit aktuell drei Bereichen - dem Agrargeschäft, Pharma sowie den rezeptfreien Gesundheitsprodukten. Sein Vorgänger Werner Baumann hatte mit der milliardenschweren Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto viel Vertrauen verspielt. Mit ihr holte er Bayer eine Klagewelle in den USA wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Unkrautvernichters ins Haus, die das Unternehmen seit Jahren schwer belastet. Anderson kündigte an, Bayer wolle in dem verbliebenen Rechtskomplex "sehr hart" gegen seine Gegner vorgehen.

"Die Belastung durch Rechtsstreitigkeiten, die Unternehmensbürokratie und die Verschuldung ? all das beeinträchtigt unsere Fähigkeit, uns auf die Mission zu konzentrieren", kritisierte der 56-jährige Amerikaner die Altlasten seines Vorgängers. "Und wir müssen ehrlich zu uns selbst sein. Wenn man von diesen Dingen abgelenkt wird, können wir dann wirklich 'health for all and hunger for none' als unsere Mission beanspruchen?", fragte er mit Blick auf den Slogan von Bayer. "Hier kommt die Frage nach der Strategie und der Struktur des Unternehmens ins Spiel." Dieser Frage widmeten er und das Managementteam derzeit die meiste Zeit. "Ich bin überzeugt, dass wir deutlich bessere Ergebnisse erzielen können, wenn wir unsere Arbeitsweise ändern."

Für das zweite Quartal wies Bayer am Dienstag wegen Abschreibungen im Agrargeschäft einen Verlust von 1,88 Milliarden Euro aus. Das Leverkusener Unternehmen hatte bereits vor zwei Wochen vorläufige Quartalszahlen veröffentlicht und seine Jahresziele deutlich gesenkt. Massive Rückgänge im Geschäft mit glyphosathaltigen Unkrautbekämpfungsmitteln belasten Bayer. Im zweiten Quartal fielen deshalb Firmenwert-Abschreibungen von knapp 2,5 Milliarden Euro an, die das Unternehmen tief in die roten Zahlen drückten.

(Bericht von Patricia Weiß, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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