Moskau/Frankfurt (Reuters) - Der deutsche Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea und die österreichische OMV verlieren laut einem Präsidialerlass formell ihre Anteile an Gasförderprojekten in Russland.
Die Beteiligungen von OMV und Wintershall Dea am Erdgasfeld Juschno Russkoje und an der Achimov-Formation in Sibirien sollen auf neu gegründete russische Gesellschaften übertragen werden, wie aus von Kremlchef Wladimir Putin unterzeichneten Dekreten am Dienstag hervorging. "Der Präsidialerlass ist eine weitere Bestätigung: Russland ist kein verlässlicher Wirtschaftspartner mehr und unberechenbar ? in jeder Hinsicht", erklärte Wintershall Dea am Mittwoch.
Aus dem Kreml hieß es, es gebe keine Beschlagnahmung von Vermögenswerten. Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow sagte, die Dekrete bedeuteten nicht, dass Russland mit der Beschlagnahme von Vermögenswerten "unfreundlicher Länder" begonnen habe. "Die Unternehmen, die den Markt verlassen, verkaufen oder transferieren Vermögenswerte - alles hängt von den Verhandlungen ab", sagte er. "Aber es gab und gibt keinen Prozess der Beschlagnahme von Vermögenswerten."
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im vergangenen Jahr haben sich zahlreiche westliche Konzerne aus dem Land zurückgezogen, oft verbunden mit milliardenschweren Verlusten. Russische Unternehmen haben bereits die Kontrolle über wichtige westliche Vermögenswerte in dem Land erlangt, darunter Brauereien von Carlsberg, Unternehmen des Joghurt-Herstellers Danone oder die Landesgesellschaften der Energiekonzerne Uniper und Fortum. Hunderte von Milliarden Dollar an russischen Staatsgeldern wurden wiederum im Westen eingefroren, ebenso wie die Vermögenswerte russischer Geschäftsleute und Investoren.
Laut den nun erlassenen Dekreten sollen alle Aktivitäten mit russischer Beteiligung, darunter die Beteiligung von Wintershall Dea an der Gaspipeline Nord Stream sowie die Gemeinschaftsunternehmen mit Gazprom, bis Mitte 2024 rechtlich getrennt werden. Wintershall Dea erklärte, man sei derzeit dabei, die aktuelle Situation im Detail zu analysieren. Der Konzern hatte bereits zu Beginn dieses Jahres das Aus seiner Geschäfte in Russland angekündigt, die zuletzt rund 50 Prozent der gesamten Produktion ausmachten. Vorstandschef Mario Mehren hatte gesagt, die Beteiligungen seien "de facto wirtschaftlich enteignet" worden. Der Chemiekonzern BASF, der noch 72,7 Prozent an Wintershall Dea hält, prüft die Situation laut einer Sprecherin ebenfalls.
Mit den Dekreten wird der Kontrollverlust nun formalisiert. In diesen heißt es, der Schritt diene der Wahrung nationaler Interessen Russlands. Der Erlös aus dem Verkauf der Anteile werde auf Sonderkonten der bisherigen ausländischen Eigentümer überwiesen. Alle bisher gültigen Unternehmensverträge würden mit der Unterzeichnung der Dekrete ihre Gültigkeit verlieren.
OMV hatte sich bereits im vergangenen Jahr nach dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine aus Russland zurückgezogen. Der Wiener Öl-, Gas- und Chemiekonzern hielt eine Beteiligung von knapp einem Viertel an Juschno Russkoje, die nahezu vollständig abgeschrieben wurde. Die OMV-Vermögenswerte sollen den Dekreten zufolge an den Versicherungskonzern Sogas veräußert werden, der Gazprom versichert. Das Wiener Unternehmen erklärte, es prüfe derzeit den Erlass und werde gegebenenfalls weitere Schritte einleiten, um seine Rechte zu wahren.
(Bericht von Vladimir Soldatkin, Vera Eckert und Patricia Weiß, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)