- von Ari Rabinovitch
Jerusalem (Reuters) - Israels Oberstes Gericht hat einen zentralen Teil der umstrittenen Justizreform der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verworfen.
Acht der 15 Richter hätten für die Aufhebung des Gesetzes gestimmt, teilte das Gericht am Montagabend mit. "Das Gericht befand, dass die Änderung den Kern von Israels Wesen als demokratischen Staat einen schweren und noch nie dagewesenen Schaden zufügt", hieß es zur Begründung. Die Regelung hätte dem Obersten Gericht die Möglichkeit genommen, Entscheidungen der Regierung als "unangemessen" zu kippen. Der Streit über die Reform spaltete die israelische Gesellschaft und führte zu monatelangen Protesten.
Das Urteil könnte nun die Einheitsregierung auf die Probe stellen, die nach dem Angriff der radikal-islamischen Hamas gebildet wurde. Sie umfasst Hardliner wie Finanzminister Besalel Smotrich und Kritiker der Reform wie Verteidigungsminister Joaw Gallant. Netanjahus Likud-Partei erklärte in einer ersten Stellungnahme, das Urteil stehe im Widerspruch zum Wunsch des Volkes nach Einheit insbesondere im Angesicht des Krieges. Zu etwaigen weiteren Schritten machte sie keine Angaben. Smotrich kritisierte die Entscheidung als "extrem und spaltend". Oppositionsführer Jair Lapid lobte das Gericht dagegen. Das Urteil markiere das Ende eines harten Jahres, in dem der Streit das Land von innen zerrissen habe.
Das israelische Parlament hatte nach einer langen und erbitterten Debatte Ende Juli für das Kernstück der Reform gestimmt. Die Opposition bezeichnete dieses als einen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz und als Einfallstor für Korruption und Machtmissbrauch. Die Regierung argumentierte dagegen, die Justiz mische sich zu sehr in die Politik ein. Vermittlungsversuche von Präsident Isaac Herzog und Aufrufe des Verbündeten USA zu einem Kompromiss blieben vergebens. Parallel zu den Protesten kam es zu Streiks, die Polizei setzte Wasserwerfer gegen Demonstranten ein. Einer vor der Parlamentsabstimmung veröffentlichten Umfrage zufolge waren 46 Prozent der Israelis gegen die Reform, 35 Prozent befürworteten sie und 19 Prozent waren unentschlossen.
Auch in der Wirtschaft hatte sich Widerstand geregt. So stellten beiden größten israelischen Banken, Leumi und Hapoalim, es ihren Beschäftigten vor der Abstimmung in der Knesset frei, an Demonstrationen teilzunehmen ohne auf Lohnzahlungen verzichten zu müssen. Nach dem Votum des Parlaments gerieten die israelische Börse und die Währung unter Druck: Der Leitindex der Börse Tel Aviv verlor, die Landeswährung Schekel gab zum Dollar nach.
(Geschrieben von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)