Reuters

Diess - Habe Diesel-Sanktionen gegen VW nicht für möglich gehalten

16.01.2024
um 14:02 Uhr

Braunschweig (Reuters) - Im milliardenschweren Anlegerprozess gegen Volkswagen und dessen Hauptaktionär Porsche SE wegen manipulierter Abgaswerte hat Herbert Diess als erster ehemaliger VW-Chef ausgesagt.

Er habe es bis zuletzt nicht für möglich gehalten, dass es Sanktionen wegen überhöhter Abgaswerte geben könnte, sagte Diess am Dienstag vor dem Oberlandesgericht in Braunschweig. Zwar sei ihm schon kurz nach seinem Eintritt in das Unternehmen klar gewesen, dass es ein Problem mit einigen Motoren in den USA gebe. Er selbst habe sich vor allem um die Zulassung eines neuen Motors gesorgt. Allerdings sei er zuversichtlich gewesen, dass es eine Lösung mit den Behörden gebe.

Nach der Meldung der US-Umweltbehörde EPA habe der Konzern unter Hochdruck daran gearbeitet herauszufinden, ob es auch in anderen Regionen Verstöße gegen Abgasrichtlinien gegeben habe und damit weitaus mehr Fahrzeuge betroffen sein könnten. Er habe sich nicht vorstellen können, dass Volkswagen in Europa gegen Gesetze verstoßen habe, zumal die Regelungen hier deutlich einfacher zu erfüllen seien als in den USA, sagte Diess. Es sei für ihn unfassbar gewesen, dass es auch in Europa Abweichungen gab.

Der damalige Konzernvorstand Martin Winterkorn habe noch in den letzten Wochen vor Bekanntwerden des Dieselskandals bei Sitzungen vermittelt, dass der Wolfsburger Autobauer zusammen mit der Behörde an einer Lösung arbeite. "Ich hatte keinerlei Anlass, an der Kompetenz von Winterkorn zu zweifeln", sagte Diess. "Er hatte das Thema in der Hand."

Volkswagen hatte 2015 auf Druck der US-Umweltbehörde EPA zugegeben, Diesel-Abgaswerte durch eine Software manipuliert zu haben. Diese sorgte dafür, dass die Motoren die Stickoxidgrenzwerte auf dem Prüfstand zwar einhielten, auf der Straße aber ein Vielfaches dieser giftigen Abgase ausstießen. Der Skandal löste eine Vielzahl von Prozessen aus. Im Juni wurde der frühere Chef der Volkswagen-Tochter Audi, Rupert Stadler, vom Landgericht München zu einer Bewährungsstrafe und einer millionenschweren Geldauflage verurteilt.

86 ZEUGEN

Das Oberlandesgericht hatte im Juli beschlossen, insgesamt 86 Zeugen zu vernehmen, um Aufschluss über die Abläufe vor Bekanntwerden des Dieselskandals vor acht Jahren zu erhalten. Unter ihnen ist auch der nach Bekanntwerden des Dieselskandals 2015 zurückgetretene Konzernchef Winterkorn. Er soll Mitte Februar vor Gericht erscheinen. Auch Winterkorns Nachfolger Matthias Müller soll als Zeuge vernommen werden.

Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts verhandelt seit fünf Jahren über eine Musterklage der Fondsgesellschaft Deka Investment der Sparkassen wegen erlittener Kursverluste durch den VW-Abgasskandal. Die Kläger - zumeist institutionelle Anleger - werfen Volkswagen und der ebenfalls beklagten Porsche Holding vor, die Information über "Dieselgate" lange geheim gehalten und ihnen dadurch einen Wertverlust ihrer Aktien eingebrockt zu haben. Dem hält Volkswagen entgegen, die Kursrelevanz sei erst durch die Veröffentlichung der EPA am 18. September 2015 erkennbar geworden. Die Wiedergutmachung des Abgasskandals, vor allem Bußgelder, Schadensersatz und Rechtsanwaltskosten, hat Volkswagen bisher mehr als 32 Milliarden Euro gekostet.

(Bericht von Christina Amann, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

Volkswagen AG Vz.

WKN 766403 ISIN DE0007664039