Reuters

Bund gegen Rosneft - Letzte Ausfahrt Enteignung

08.02.2024
um 17:37 Uhr

- von Riham Alkousaa

Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung erwägt vor dem Hintergrund der Invasion Russlands in der Ukraine eine Enteignung des russischen Ölkonzerns Rosneft in Deutschland.

Das Unternehmen hält unter anderem die Mehrheit der Anteile an der PCK Raffinerie im ostdeutschen Schwedt, die zu den größten des Landes gehört. Es folgen einige Einschätzungen zu den wichtigsten Fragen:

WARUM GREIFT DIE BUNDESREGIERUNG ZU DIESEM MITTEL?

Die Bundesregierung hatte im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine die deutschen Vermögenswerte Rosnefts - darunter das 54,17-Prozent-Paket in Schwedt - im September 2022 unter Treuhänderschaft Deutschlands gestellt. Diese läuft im März aus. Das Wirtschaftsministerium erklärte, der Betrieb der Raffinerie könne gefährdet sein, wenn Russland wieder die Kontrolle übernähme.

WAS MÜSSTE DEUTSCHLAND AN ENTSCHÄDIGUNG ZAHLEN?

Die russische Tageszeitung "Wedomosti" hatte 2022 unter Berufung auf ein nicht genanntes Beratungsunternehmen den Wert der deutschen Assets von Rosneft auf sieben Milliarden Dollar (rund 6,5 Milliarden Euro) geschätzt. Das Bundeswirtschaftsministerium wollte sich nicht zu der Höhe einer Entschädigung oder einer möglichen Finanzierung äußern.

KANN ROSNEFT EINE ENTEIGNUNG ANFECHTEN?

Rosneft hat im Dezember bereits rechtliche Schritte gegen die Treuhänderschaft eingeleitet und weitere Klagen angekündigt. Nach Einschätzung des Staatsrechtlers Joachim Wieland hätte der Bund bei einer Enteignung aber gute Karten. "Aus meiner Sicht wäre das unproblematisch, weil das Energiesicherungsgesetz eine Enteignung zur Sicherung der Energieversorgung in Deutschland erlaubt." Eine Gesellschaft wie Rosneft Russland, die ihren Sitz nicht in der EU habe, dürfte auch vor dem Europäischen Gerichtshof keine Chance haben, wenn Deutschland sie zur Sicherung seiner Energieversorgung und zur Verhinderung einer Energiekrise enteigne.

HAT ES BEREITS ÄHNLICHE FÄLLE IN DEUTSCHLAND GEGEBEN?

"Einen wirklich vergleichbaren Fall, wo ein ausländisches Unternehmen dieser Größenordnung in Deutschland enteignet worden ist, kenne ich nicht", sagt Wieland. Am ehesten vergleichbar sei der Atomausstieg, von dem der schwedische Energiekonzern Vattenfall betroffen war. Eine Enteignung sei das aber nicht gewesen. Die von Rosneft beauftragte Kanzlei Malmendier Legal erklärte: "Eine solche Enteignung würde eine Maßnahme darstellen, die in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland beispiellos bliebe und auf immer der Investitionssicherheit schaden würde."

WIE REAGIERT DER RUSSISCHE PRÄSIDENT WLADIMIR PUTIN?

Putin hat bereits per Dekret die Kontrolle über Geschäfte westlicher Unternehmen übernommen. Dazu gehört etwa die russische Tochter des Energiekonzerns Uniper, Unipro. Betroffen sind auch der finnische Versorger Fortum, die dänische Brauerei Carlsberg, der französische Konzern Danone sowie der Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea[WINT.UL.]. Russland hat sich im Fall einer Enteignung eine Vergeltung offengehalten.

(Mitarbeit Christian Krämer, Andreas Rinke, Vera Eckert, Vladimir Soldatkin, Alexander Marrow, bearbeitet von Tom Käckenhoff, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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