(Reuters) - Dass Russlands Präsident Wladimir Putin am Wochenende für erneute sechs Jahre im Amt bestätigt wird, gilt als ausgemacht.
Die Präsidentschaftswahl vom 15. bis 17. März dürfte Putins mehr als 24 Jahre währende Herrschaft weiter festigen. Der 71-Jährige betrachtet es als sein Lebenswerk, die Atommacht nach dem Ende der Sowjetunion zu alter Stärke zurückzuführen und den globalen Einfluss der USA zurückzudrängen. Umfragen, die trotz Repressionen als aussagekräftig eingeschätzt werden, sehen seine Zustimmungswerte bei mehr als 80 Prozent. Unter diesen Vorzeichen führt Putin seit mehr als zwei Jahren Krieg gegen die Ukraine, deren gewählte Regierung er als westlich gesteuertes Marionettenregime bezeichnet.
Dass ein Konkurrent Putin ablöst, ist nach Wahlausschluss, Exil, Inhaftierung oder Tod politischer Gegner ebensowenig in Sicht wie eine Amtsübergabe an einen Vertrauten wie Dmitri Medwedew. Ihm hatte Putin von 2008 bis 2012 das Präsidentenamt überlassen, um vorübergehend als Ministerpräsident zu regieren. Putin selbst war am Silvestertag 1999 von seinem Vorgänger Boris Jelzin eingesetzt worden. Die verfassungsmäßige Amtszeitbegrenzung hebelte er aus, indem er die Zählung vom Parlament auf Null zurücksetzen ließ. Bereits jetzt regiert Putin so lange wie kein anderer Politiker seit Josef Stalin. Der sowjetische Diktator starb 1953 nach 29-jähriger Herrschaft.
Den Oppositionspolitiker und Kriegsgegner Boris Nadeschdin schlossen die Behörden wegen angeblich fehlerhafter Unterlagen von der Wahl aus. Nadeschdins Förderer, der liberale Putin-Gegner Boris Nemzow, war 2015 in Sichtweite des Kreml ermordet worden. Alexej Nawalny, der nach seinem Kampf gegen Korruption 2020 einem Giftanschlag entging, starb im Februar in sibirischer Lagerhaft. Der Söldnerführer Jewgeni Prigoschin, dessen Aufstand im Juni Umsturzerwartungen geschürt hatte, kam im August mit mehreren Gefolgsleuten bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Der Nationalist und frühere Milizenführer Igor Girkin alias Strelkow sitzt im Gefängnis. Der frühere Ölmagnat und Oligarch Michail Chodorkowski lebt im britischen Exil.
"MITTAG GEGEN PUTIN"
Die drei neben Putin aufgestellten Präsidentschaftsbewerber gelten als chancenlose Zählkandidaten systemtreuer Oppositionsparteien. Wieviel Rückhalt die echte Opposition in der Bevölkerung hat, könnte sich am dritten Wahltag zeigen. Nawalnys ins Ausland geflohene Witwe Julia Nawalnaja hat die Bevölkerung aufgerufen, am Sonntag mittags wählen zu gehen. "Polden protiw Putina" lautet der griffige Slogan - "Mittag gegen Putin". Die erhofften Warteschlangen sollen ein Protestzeichen sein, das Behörden keine Angriffsmöglichkeit bietet.
Offen ist, ob Putin nach der erwarteten Wiederwahl Personalveränderungen vornimmt. Der frühere KGB-Offizier stützt sich seit Jahrzehnten auf loyale Gefolgsleute, von denen mehrere ebenfalls den Sicherheitsbehörden entstammen und seiner Altersgruppe angehören. Dazu zählen Verteidigungsminister Sergej Schoigu (68), an dem Putin trotz militärischer Rückschläge in der Ukraine festhielt, Sicherheitsrats-Sekretär Nikolai Patruschew (72) und der Chef des Geheimdiensts FSB, Alexander Bortnikow (72). Zu Putins engerem Kreis wird auch Außenminister Sergej Lawrow (73) gezählt. Jüngere Spitzenpolitiker sind Medwedew (58) sowie der technokratische Ministerpräsident Michail Mischustin (58) und der ultrakonservative Duma-Vorsitzende Wjatscheslaw Wolodin (60).
Putin, der den Ukrainern das Recht auf eine unabhängige Nation abspricht, hat offen gelassen, welche genauen Ziele er mit seiner "militärischen Spezialoperation" verfolgt. Seit eine Eroberung der Hauptstadt Kiew und weiterer Gebiete gescheitert ist, versucht Putin, das kleinere Nachbarland zu zermürben. Doch eine von ihm befohlene "Teilmobilisierung" war unpopulär und löste eine Massenflucht aus. Russlands steigende Militärausgaben zehren bereits 40 Prozent des offiziellen Staatsbudgets auf. Dennoch erklärte Putin, Russland werde nicht den Fehler begehen, sich wie die Sowjetunion auf einen ruinösen Rüstungswettlauf einzulassen. Trotz beispielloser Sanktionen westlicher Staaten zeigt sich die russische Wirtschaft unerwartet robust.
Auf der Suche nach internationalen Partnern wurde Putin bei Regierungen fündig, denen US-Dominanz und westliches Pochen auf Menschenrechte ebenfalls Dornen im Auge sind. Seit die Devisenquelle der Gas- und Ölexporte in den Westen weitgehend versiegt ist, treibt Russland seine Rohstofflieferungen nach China und Indien voran. Chinas Staatschef Xi Jinping ist Putins mächtigster Partner.
(Bericht von Reuters. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)