Medizintechnologie - Robotik

20.06.2016
um 12:24 Uhr

Erstes Robotergesetz:

„Ein Roboter darf einem menschlichen Wesen keinen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.“

Isaac Asimov

Das erste Robotergesetz, das von dem russisch-amerikanischen Biochemiker, Sachbuchautor und später berühmten Science-Fiction-Schriftsteller Isaac Asimov in seiner Kurzgeschichte „Runeround“ bereits 1942 formuliert wurde, passt wie kein anderes perfekt auf das Robotik-Segment, das sich unmittelbar mit dem menschlichen Wohlbefinden beschäftigt. Die Rede ist von der hochspeziellen und äußerst lukrativen Trendrichtung der medizinischen Robotik. Nur ein Fehler, der den Ruf des jeweiligen Herstellers ruinieren könnte, würde höchstwahrscheinlich auch das finanzielle Aus für das Unternehmen bedeuten. Aus diesem Grund dauert die Entwicklungsarbeit länger, um die entsprechende Qualität der robotischen Lösungen zu garantieren, was letztendlich den hohen Preis der fertigen Produkte rechtfertigt.

Der globale Markt für chirurgische Robotik erlebt derzeit einen Aufschwung, da die Medizinroboter der neuen Generation immer größere Popularität und Akzeptanz sowohl bei den Ärzten als auch bei den Patienten gewinnen. Das moderne chirurgische Robotersystem ist schon jetzt in der Lage, den Verlauf einer traditionellen Operation auf eine viel präzisere, schnellere und weniger invasive Art und Weise zu verbessern. Damit wird einerseits die Qualität der medizinischen Dienstleistungen verbessert, andererseits steigt die Geschwindigkeit der jeweiligen Behandlung, was die Situation mit den manchmal negativen Auswirkungen der langen OP-Wartezeiten enorm verbessert. Letztendlich wird durch die minimalinvasive Eingriffsweise die Rehabilitationszeit wesentlich verkürzt, was zur Entlastung der Krankenhauseinrichtungen führt.

Der moderne Roboterchirurg stellt im Wesentlichen eine hochkomplexe, automatisierte, aber auch universelle Unterstützungsplattform dar, die je nach Art des Eingriffs und des Schwierigkeitsgrads der bevorstehenden Operation mit verschiedenen Einmal- bzw. Mehrweg-Instrumenten ausgestattet werden kann. Derzeit werden verschiedene, innovative Lösungen erprobt wie z. B. die Möglichkeit einer OP ohne der unmittelbare Anwesenheit des Spezialisten. Dazu wird die OP-Plattform mit der entsprechenden Cloud-Lösung verbunden, in die der jeweilige Arzt, der sich am anderen Ende Welt befinden könnte, seine Daten einspeist und den OP-Vorgang in Echtzeit überwacht. Zur Not kann er auch dank der vorangeschrittenen Visualisierung und der Geschwindigkeit des Internet-Traffics die Steuerung der OP-Plattform durch nur wenige Mausklicks in Echtzeit übernehmen, um das Gerät bei Bedarf neu kalibrieren zu können. Das Potenzial sowie die Nachfrage nach derartig universellen Robotersystemen dürften in Zukunft enorm sein. Vielmehr noch, der Trend der robotisierten Medizinlösungen könnte zu starken Veränderungen im traditionellen Medizinsektor führen und die Landschaft der traditionellen Chirurgie grundlegend ändern.

Für den wöchentlichen TrendScout sind diese Annahmen Grund genug, um den imaginären weißen Doktorkittel anzuziehen und sich auf die Suche nach den möglichen Profiteuren zu machen, die in den nächsten Jahren bei der Etablierung des Medizinrobotik-Trends eine entscheidende Schlüsselrolle spielen könnten.


Medtronic (MDT) und Mazor Robotics (MZOR)

Beide Unternehmen sorgten vor zwei Wochen mit der Nachricht über eine bevorstehende, strategische Partnerschaft für Aufsehen. Der mit rund 150 Mrd. USD kapitalisierte, US-amerikanische Pharmakonzern Medtronic greift dem mit nur 334 Mio. USD kapitalisierten Mazor Robotics unter die Arme. Der Deal sieht zunächst einen 4%igen Einstieg für 11,9 Mio. USD von Medtronic vor. Die Investition soll im zweiten Schritt auf 10 % aufgestockt werden. Eine weitere durch Medtronic finanzierte Kapitalerhöhung wird im Fall der erfolgreichen Zusammenarbeit beider Unternehmen nicht ausgeschlossen. Für den Pharmakonzern bedeutet der Deal die Möglichkeit, sich im wachstumsstarken und perspektivreichen Markt der robotisierten Chirurgielösungen, wo zurzeit Unternehmen wie Intuitiv Surgical (ISRG) sowie Verb Surgical – ein gemeinsames Projekt von Google und Johnson & Johnson – dominieren, positionieren zu können.

Medtronic ist schon länger auf dem Markt des chirurgischen Equipments und der Implantate aktiv. Der Konzern produziert beispielsweise den kleinsten kardiologischen Schrittmacher der Welt. Das Unternehmen leidet allerdings in den letzten Jahren unter leicht sinkender Profitabilität bei gleichzeitig steigendem Umsatz, der sich bspw. im Jahr 2015 um 19,15 % auf 20,26 Mrd. USD erhöhte. Das Nettoergebnis fiel jedoch um 12,72 % auf 2,68 Mrd. USD. Nun soll die Stellung des Konzerns sowie seine zukünftige Profitabilität auf den internationalen Märkten durch das von Mazors Spezialisten entwickelte Renaissance-System weiter ausgebaut werden. Das System ermöglicht robotergestützte Operationen an der Wirbelsäule, die wesentlich genauer sind als eine herkömmliche Operation, die durch den Arzt durchgeführt wird. Vor dem Eingriff wird mithilfe eines Röntgengeräts ein 3D-Modell der Wirbelsäule erstellt. Im nächsten Schritt wird mithilfe einer speziellen Software der genaue OP-Ablauf vorprogrammiert, der dann an eine spezielle, an den Patienten angebrachte OP-Hardware übermittelt wird. Schließlich führt der Roboter alle vorprogrammierten OP-Schritte unter Beobachtung eines kompetenten Spezialisten selbständig durch.

Mazor Robotics gewinnt mit Medtronic einen strategisch wichtigen Kooperations- und Vertriebspartner. Medtronic wird noch in diesem Jahr 15 OP-Systeme von Mazor kaufen, um diese verstärkt auf internationaler Ebene zu vermarkten. Beide Unternehmen erklärten sich im Fall der erfolgreichen Zusammenarbeit bereit, in der zukünftigen Perspektive eine vertiefte Kooperation bei der Entwicklung von neuen Produkten eingehen zu wollen. Für den kleinkapitalisierten Mazor bedeutet der Einstieg des Pharma-Riesen dank dessen starken Vertriebsgruppe eine weite, internationale Öffnung. Gleichzeitig profitiert Mazor auch von dem sinkenden Finanzierungsrisiko. Das israelische Unternehmen befindet sich immer noch in der Verlustzone, wobei der Umsatz seit vier Jahren kontinuierlich gesteigert wird. Im vergangenen Geschäftsjahr betrug das Umsatzwachstum 23,05 %, auf 26,10 Mio. USD. Der Nettoverlust von -15,3 Mio. blieb dagegen auf dem gleichen Niveau. Mit dem Einstieg der Medtronic-Vertriebsgruppe dürfte sich die Situation in Bezug auf die Umsatzzahlen schon relativ bald ändern. Die Resultate der eingegangenen Kooperation werden aber erst Ende des Jahres sichtbar. Die Aktien beider Unternehmen reagierten sehr positiv auf die Nachricht und markierten jeweils ihre neuen 52-Wochen-Hochs.


Ein weiteres relativ kleinkapitalisiertes Unternehmen, das in letzter Zeit für Aufmerksamkeit sorgt, ist der US-amerikanische Medizingeräteentwickler und -hersteller NuVasive (NUVA). Das mit rund 2,81 Mrd. USD kapitalisierte Unternehmen spezialisiert sich ebenfalls auf die Fertigung von minimalinvasiven, chirurgischen Produkten, insbesondere für Operationen und Behandlungen an der Wirbelsäule. Das Produktportfolio des Unternehmens erfasst verschiedene Instrumente für chirurgische Eingriffe an der Lenden- und Brustwirbelsäule sowie hochspezialisierte Dienstleistungen im Bereich des Neuromonitorings. Hinzu kommt noch die innovative Stärke von NuVasive bei der Entwicklung und Herstellung von biologischen Wirkstoffen. Am 23. Mai annoncierte das Unternehmen eine neue Generation des vollsynthetischen Knochenersatzmaterials AttraX Putty, das bereits in diesem Jahr auf den Markt kommen soll. AttraX ist ein nanostrukturiertes Kalziumphosphat-Material, das von strukturiertem Kalzium-Triphosphatgranula eingeschlossen ist. Durch seine einzigartige Oberflächenstruktur wird das Knochenwachstum in besonderem Maße stimuliert und auf diese Weise die Regeneration eines postoperativen Knochenbereichs enorm gesteigert. Der biologische Wirkstoff zeigte bereits in den präklinischen Tests im Vergleich mit den Konkurrenzprodukten sehr gute Resultate und dürfte auf große Nachfrage auf dem Markt treffen können.

Im vergangenen Geschäftsjahr 2015 glänzte das Unternehmen durch seine außergewöhnliche Profitabilität und den stabil steigenden Umsatz, der sich um 6,39 % auf 811,114 Mio. USD erhöhte. Das Nettoergebnis stieg um sensationelle 469,48 % auf 66,29 Mio. USD. Auch das operative Ergebnis stieg stark von 18,1 Mio. auf 139,1 Mio. USD an, wobei sich die operativen Ausgaben um rund 17,6 % auf 477,6 Mio. USD verringerten. Im 1. Quartal des laufenden Jahres hat das Unternehmen zum fünften Mal in Folge die Erwartungen der Analysten geschlagen. NuVasive profitiert zunehmend von der stark steigenden Nachfrage nach seinen chirurgischen Hardwarelösungen, auch außerhalb der USA. Das internationale Geschäftssegment legte im vergangenen Jahr rund 16 % zu und die Tendenz ist weiterhin steigend. In Anbetracht der positiven Wachstumsdynamik sowie der erfolgsversprechenden Akquisitionen von Ellipse Technologies und Mega Surgical hat der Konzern seine Guidance 2016 nach oben angepasst. NuVasive rechnet nun im laufenden Jahr mit einer, im Vergleich zu 2015 rund 14,4%igen Umsatzsteigerung auf 928 Mio. USD. Das Ergebnis je Aktie soll im Vergleich zum Vorjahreswert um 12,7 % auf 1,48 USD steigen. Das KGVe 2016 liegt derzeit bei 17,86.

Zum Schluss bleibt anzumerken, dass die Anleger und Investoren des medizinischen Robotik-Segments nun wirklich sehr gute Nerven und manchmal ein längeren Atem brauchen. Besonders wenn sie ihre Investments in kleinere Unternehmen wie die israelische Mazor Robotics, die noch nicht lange an der Börse sind, tätigen. Junge Unternehmen dieses Sektors zeichnen sich meist durch sehr vielversprechende und hochinnovative Lösungsansätze aus, die außerhalb der konservativen Denkweise etablierter Großkonzerne liegen, sind aber auch häufig aufgrund der fehlenden Finanzierung und den sehr hohen Forschungsausgaben weit von der ersehnten Gewinnzone entfernt. Hinzu kommen noch sehr starke Kursschwankungen, die die Geduld und Nerven der Anleger auf eine echte Probe stellen, „… but, big things have always small beginnings …“.

Als unumstritten gilt allerdings die Tatsache, dass der Markt der robotisierten Assistenzsysteme im medizinischen Bereich mit einem rasanten Tempo wächst. Schon heute verfügen fast alle US-amerikanischen Kliniken über die eine oder andere chirurgische Roboterausstattung und wirklich keiner hat Zweifel daran, dass Roboter in den nächsten zehn Jahren ihren festen Platz in den OP-Räumen einnehmen werden.

Aus diesem Grund bleibt es weiterhin wichtig, gerade innovative und junge Unternehmen wie Mazor Robotics, aber auch andere hochspezialisierte Vertreter der Branche wie Intuitiv Surgical oder auch Stryker weiterhin auf der Watchlist zu haben. Zumal wirklich alle Aktien der in diesem TrendScout erwähnten Unternehmen in den letzten Wochen ihre neuen 52-Wochen-Hoch markiert haben, was ein Indiz für die allgemeine Trendstärke des gesamten Sektors der medizinischen Roboterlösungen darstellt.