FRANKFURT (dpa-AFX) - Neulich war Robert Friedmann beim Arzt. Der Chef des für Schrauben bekannten Konzerns Würth im schwäbischen Künzelsau habe gar nicht mehr im Kopf gehabt, dass dort noch immer Maskenpflicht herrscht. "Da musste ich erst mal zurück zum Auto", erzählt er. Wie Friedmann dürfte es gerade vielen Deutschen gehen. Draußen Sonne satt, kaum Einschränkungen, das öffentliche Leben erinnert an die Zeit vor der Corona-Pandemie. Dabei verharren die Werte der Sieben-Tage-Inzidenz auf hohem Stand.
Krankenkassen melden mehr Krankmeldungen. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes sagte der dpa, die Hausärzte sähen aktuell viele Patientinnen und Patienten mit Covid-Erkrankungen, aber auch mit saisonal eigentlich untypischen grippalen Effekten oder Durchfallerkrankungen. Doch in der Industrie ist nach Angaben der Unternehmen noch nicht so viel zu spüren, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Dennoch drängt sich die Frage auf: Legt Corona bald - schon wieder - die deutsche Wirtschaft lahm?
Die Zahl der Corona-Infektionen sei hoch und entsprechend auch die Krankenstände, sagte Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. Doch wer mit dem Virus infiziert sei, habe am Arbeitsplatz nichts zu suchen. Das könne in einzelnen Betrieben zu Schwierigkeiten führen, aber: "Gesundheit muss Vorrang vor den Produktivitäts- und Gewinnerwartungen haben." Betriebliche Hygienekonzepte müssten beibehalten oder reaktiviert werden, auch wenn klare Vorgaben durch die Politik derzeit fehlten. "Mit Blick auf den Herbst ist jetzt die Zeit, um notwendige Vorkehrungen zu treffen - etwa durch Einbau oder Umrüstung von Lüftungsanlagen", sagte Urban.
Bei der unter anderem für ihre Dübel bekannten Unternehmensgruppe Fischer aus Waldachtal (Landkreis Freudenstadt) war der Krankenstand im ersten Halbjahr 2022 mit 4,9 Prozent fast zwei Prozentpunkte höher als im Vorjahreszeitraum. "Corona macht unserer Einschätzung nach einen Großteil der Erkrankungen und Ausfälle aus", erklärte der Vorsitzende der Geschäftsführung, Marc-Sven Mengis. In den administrativen Bereichen arbeiteten Mitarbeitende bei milden Verläufen oft mobil. In der Produktion allerdings sei das nicht möglich. "Wir haben Kapazitätsprobleme in einigen Bereichen", räumte Mengis ein. Ferienjobber und Zeitarbeiter sollen diese überbrücken.
Der Autozulieferer PWO aus Oberkirch (Ortenaukreis) verzeichnet dieser Tage einen ähnlichen Krankenstand wie im Juli 2021. Im Vergleich zu 2020 und 2019 sei das aber knapp ein Drittel mehr, erklärte eine Sprecherin. "Ein erheblicher Teil unserer Krankenquote ist auf Covid zurückzuführen." An einzelnen sogenannten Engpassmaschinen werde die Fertigung besonders sorgfältig gesteuert. Nach der Urlaubszeit rechnet das Unternehmen mit einem Anstieg des Krankenstandes.
Das Gesundheitsunternehmen Fresenius berichtete, in den Werken der Dialysetochter Fresenius Medical Care und beim Flüssigmedizinanbieter Fresenius Kabi gebe es corona-bedingte Personalausfälle. Diese seien aber begrenzt und beeinträchtigten Produktion und Lieferfähigkeit "nicht nennenswert", so der Dax
Der Darmstädter Pharma- und Spezialchemiekonzern Merck verzeichnet unterdessen keine corona-bedingten Einschränkungen in seinen Werken. Er beobachtet zwar in der Belegschaft steigende Infektionszahlen, doch es sei dank Schutzmaßnahmen bisher gelungen, "Produktion und Lieferfähigkeit aufrecht zu erhalten". Der Dax-Konzern setzt weiter auf einen Basisschutz, darunter Maskenpflicht in Innenräumen bei Unterschreitung des Mindestabstands und Tests für Beschäftigte.
In Niedersachsen äußern sich die Arbeitgeber eher zurückhaltend. Der Auto- und Maschinenbauzulieferer Continental
Der Stahlerzeuger Salzgitter verzeichnete ebenfalls eine erneute Zunahme an Corona-Infektionen und Quarantäne-Anordnungen innerhalb der Belegschaften. Auf Basis einer vorausschauenden Einsatzplanung sei die Produktion sichergestellt. "Dank des Einsatzes und der Flexibilität der Mitarbeitenden sind wir gut gerüstet, die mit der Pandemie einhergehenden Herausforderungen zu managen", heißt es dort.
Auch bei Schraubenhersteller Würth gebe es einen leicht erhöhten Krankenstand, sagte Firmenchef Friedmann. Aktuell bereite ihm das noch keine Sorge, nur insofern, dass er sich frage: "Mensch, wie wird das denn, wenn es wieder kühler wird?" Sollte der Krankenstand spürbar steigen, werde Würth "natürlich wieder zurückkehren zur Maskenpflicht"./rwi/DP/zb