BERLIN (dpa-AFX) - Millionen von Gaskunden haben immer noch keine Klarheit darüber, ob sie die Gasumlage nun zahlen müssen oder nicht. Innerhalb der Bundesregierung laufen Gespräche über eine mögliche Abschaffung der Umlage. Bisher gibt es dazu keine Einigung. Die Umlage würde deutliche Preiserhöhungen bedeuten.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Mittwoch in Berlin, durch den Stopp der russischen Gaslieferungen und der "Havarie" der Nord-Stream-Pipeline habe sich die Situation am deutschen Gasmarkt auf absehbare Zeit sehr nachhaltig verändert. Die Bundesregierung arbeite daher mit Hochdruck an einer "Gesamtlösung".
Diese habe zum Ziel, die Verbraucherinnen und Verbraucher und Unternehmen vor den hohen Gaspreisen zu schützen, den Gasmarkt zu stabilisieren und die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten, so Hebestreit. Gespräche zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seien auf einem guten Weg.
Entgegen der Planungen standen Änderungen an der Umlage am Mittwoch nicht auf der Tagesordnung des Kabinetts. Ursprünglich wollte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei der Gasumlage "Trittbrettfahrer" ausschließen - profitable Firmen, die gar keine Unterstützung brauchen. Dazu sollte das Energiesicherungsgesetz geändert werden.
Immer mehr Spitzenpolitiker der Ampel-Koalition waren zuletzt von der Gasumlage abgerückt. Diese soll eigentlich Anfang Oktober in Kraft treten. Die Frage ist nun, wie eine Alternative zur Umlage finanziert werden soll, um Importeure wie Uniper
Wegen ausbleibender russischer Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 müssen Importeure wie Uniper zu stark erhöhten Preisen Ersatz beschaffen, können diese aber bislang nicht an die Kunden weitergeben. Dies soll eigentlich über die Umlage geschehen.
Die Frage ist nun, wie eine Alternative zur Umlage finanziert werden soll. Es geht um Milliardensummen. Habeck hatte gesagt, die Umlage erfülle den Zweck, den Gasmarkt und damit die Versorgung zu stabilisieren. "Diese Notwendigkeit besteht weiter, denn Uniper und Co müssen ja weiter Ersatzgas kaufen." Der Umlagen-Zweck der Stabilisierung lasse sich auch erreichen, indem den Unternehmen der nötige Kapitalbedarf aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt werde.
Die Union warf der Ampel Chaos vor. "Alle Ampelparteien haben die Gasumlage öffentlich abgesagt, aber niemand bekennt Farbe", sagte der energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andreas Jung. Im Klima- und Energieausschuss des Bundestags stimmten die Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP gegen einen Antrag der Union zur Abschaffung der Umlage. Das wurde in Koalitionskreisen bestätigt. Jung: "Die Menschen müssen angesichts der Preisexplosion jetzt wissen, wo sie dran sind: Zusatzbelastung durch Umlage oder Preisdämpfung?"
Die Grünen-Energiepolitikerin Lisa Badum sagte: "Wer die Gasumlage abschaffen will, muss Antworten geben, wie die vielen Milliarden Euro der Stützung der Stadtwerke finanziert werden sollen, die an den Gasimporteuren hängen. Hier müssen der Kanzler und das zuständige Kabinettsmitglied liefern."
Der FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner pocht bei Maßnahmen der Bundesregierung gegen die galoppierenden Energiepreise auf die Einhaltung der Schuldenbremse im kommenden Jahr. Von den finanzpolitischen Instrumenten habe er "eine ganz präzise Vorstellung", wolle diese aber innerhalb der Bundesregierung besprechen, hatte er gesagt. "Das Ziel heißt Schuldenbremse für den Bundeshaushalt und eine Gaspreisbremse."
Der Energieverband BDEW und der Stadtwerkeverband VKU forderte die Bundesregierung auf, endlich Klarheit zu schaffen. "Nach der im Raum stehenden politischen Absage an die Gasumlage durch alle drei Koalitionspartner gibt es nur eine Lösung", erklärten die Verbände. "Und zwar eine schnelle Entscheidung dafür, dass den Gasimporteuren der nötige Kapitalbedarf aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt wird." Die Menschen, Gewerbe, Handel und Industrie und auch die Energieversorger bräuchten Planbarkeit.
Es gebe nicht nur die Unternehmen, die zum 1. Oktober ihre Preise angehoben hätten, sondern auch diejenigen, die dies für den 1. Dezember planten, so die beiden Verbände. "Hier gibt es Vorlauf und Fristen zu beachten. Diese Unternehmen bereiten jetzt die Preisänderungsschreiben vor, die bis Mitte Oktober versandt werden müssen. Es ist nicht zu verantworten, diese Unternehmen jetzt mit hohem Aufwand Preisänderungen durchführen zu lassen für eine Umlage, die eigentlich niemand mehr will."
Bei den Verhandlungen innerhalb der Regierung geht es neben zusätzlichen Hilfen für Unternehmen auch um eine Gaspreisbremse. Verbraucher könnten eine bestimmte Menge Gas zu einem gedeckelten Preis bekommen. Die Gaspreise sind in der Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine stark gestiegen.
Die SPD im Bundestag geht von hohen Milliardenkosten für die erwogene Deckelung der Gaspreise aus. "Es ist von vielen Parametern abhängig, über welches Volumen wir sprechen", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion. "Ich gehe am Ende von einem dreistelligen Milliardenbetrag aus." Dies gelte voraussichtlich auf ein Jahr gerechnet./hoe/DP/nas