(neu: Aussagen der Notenbankchefs Nagel und Knot)
FRANKFURT (dpa-AFX) - Europas Währungshüter versprechen einen entschlossenen Einsatz gegen die nach wie vor rekordhohe Inflation. "Wir gehen davon aus, dass wir die Zinssätze weiter anheben werden", sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, am Freitag bei einem Bankenkongress in Frankfurt. "Letztendlich werden wir die Zinsen auf ein Niveau anheben, das die Inflation rechtzeitig auf unser mittelfristiges Ziel zurückführt."
Bundesbank-Präsident Joachim Nagel mahnte "weitere entscheidende Schritte" an. Er hielte es für "falsch, aus Angst vor einem Abschwung mit weiteren entscheidenden Schritten zu warten". Die Geldpolitik dürfe nicht zu früh nachlassen. "Die Inflation ist eine harte Nuss, die es zu knacken gilt. Wenn wir sie knacken wollen, muss auch die Geldpolitik hart sein", sagte der Bundesbank-Präsident, der im EZB-Rat über den geldpolitischen Kurs mitentscheidet.
Ähnlich argumentierte bei dem Kongress der Chef der niederländischen Notenbank, Klaas Knot: Es brauche jetzt ein "entschlossenes Eintreten für Preisstabilität", sonst werde die "Zähmung der Inflation" wesentlich teurer werden.
Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei zwei Prozent Teuerung an. Im Oktober lagen die Verbraucherpreise im Währungsraum der 19 Länder um 10,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. "Die Inflation im Euroraum ist viel zu hoch", stellte Lagarde fest. Zudem sei das Risiko einer Rezession gestiegen, obwohl die jüngsten Konjunkturdaten positiv überrascht hätten.
Nach langem Zögern stemmt sich die EZB seit Juli mit kräftigen Zinserhöhungen gegen die extrem hohe Teuerung. Der Leitzins im Euroraum, der jahrelang auf dem Rekordtief von null Prozent eingefroren war, liegt inzwischen bei 2,0 Prozent. Deutsche-Bank-Chef
Lagarde kündige an, die EZB werde auch ihre anderen geldpolitischen Instrumente normalisieren. Die über Jahre durch milliardenschwere Wertpapierkäufe angeschwollene EZB-Bilanz müsse "maßvoll" und "auf vorhersehbare Weise" normalisiert werden: "Im Dezember werden wir die wichtigsten Grundsätze für den Abbau der Anleihenbestände in unserem Ankaufprogramm darlegen." Der EZB-Rat tagt wieder am 15. Dezember.
Bundesbank-Präsident Nagel sprach sich dafür aus, Anfang 2023 damit zu beginnen, den Umfang der milliardenschweren Anleihenbestände im Eurosystem zu reduzieren, indem nicht mehr alle Gelder aus fällig werdenden Papieren wieder neu investiert werden: "Die zusätzliche Straffung würde dazu beitragen, die Inflation zu senken."
Über den Kampf gegen die Inflation hinaus sieht Deutsche-Bank-Chef Sewing dringenden Bedarf, den europäischen Kapitalmarkt wettbewerbsfähiger zu machen. Europa müsse "dringend umsteuern, wenn wir die Zukunft Europas nicht in erster Linie von ausländischen Banken finanzieren lassen wollen", mahnte Sewing, der auch Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) ist.
"Wir brauchen eine Agenda 2030 für Europa. Und der allererste Schritt muss sein, dass wir endlich einen echten europäischen Heimatmarkt schaffen", forderte Sewing. Ohne eine deutliche Steigerung privater Investitionen könne Europa nicht wettbewerbsfähig sein. "Wir werden weder die nachhaltige Transformation meistern noch technologisch mithalten können", warnte Sewing. "Deshalb ist es so wichtig, die Kapitalmarktunion endlich voranzutreiben, um einen liquiden und attraktiven Markt für in- und ausländische Investoren zu schaffen."
Bei der Kapitalmarktunion geht es im Kern darum, bürokratische Hürden zwischen den einzelnen Staaten der Europäischen Union abzubauen, um Unternehmen mehr Möglichkeiten zu geben, sich Geld zu beschaffen. Seit 2015 liegen Pläne der EU-Kommission dafür auf dem Tisch.
Sewing forderte zugleich eine Neujustierung der Bankenregulierung: Es werde "immer deutlicher, dass der derzeitige regulatorische Rahmen wenig zur Stärkung der europäischen Banken beiträgt". EZB-Präsidentin Lagarde betonte ebenfalls die Bedeutung eines widerstandsfähigen Finanzsektors zur Bewältigung der milliardenschweren Herausforderungen der kommenden Jahre: "Eine zu weitgehende Regulierung würde die Banken anfälliger für Schocks machen und sie weniger in die Lage versetzen, die Übergänge zu unterstützen, von denen unser künftiges Wachstum abhängen wird."/ben/stw/DP/stw