ROUNDUP: Nord-Länder fordern 'Zeitenwende' im Schiffbau - Streit um Schlick
HAMBURG (dpa-AFX) - Im Streit um die Verklappung des Elbschlicks aus dem Hamburger Hafen hat sich die Hansestadt noch nicht mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein einigen können. "Wir müssen da noch mal sachlich rangehen", sagte Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) am Freitag nach einem Treffen mit seinen vier norddeutschen Kollegen. Er plane Gespräche mit den Umweltministern der Nachbarländer. Auch die Ministerpräsidenten tauschten sich noch aus.
Die Pläne Hamburgs, von Januar 2023 an Elbschlick vor der Vogelschutzinsel Scharhörn zu verklappen, stoßen bei der Stadt Cuxhaven und dem Land Niedersachsen auf Ablehnung. Da das Baggergut mit Schadstoffen belastet sein könnte, fürchten Stadt, Land und Naturschutzverbände Folgen für die Umwelt. Die Hamburger Probleme um den Elbschlick dürften nicht auf Kosten Cuxhavens gelöst werden, teilte Cuxhavens Oberbürgermeister Uwe Santjer (SPD) mit. Damit große Schiffe Zugang zum Hamburger Hafen haben, muss in der Elbe ständig Schlick ausgebaggert werden.
Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) forderte eine "ökologische Sedimentstrategie". Die Sedimente, wie der Schlick in der Fachsprache heißt, seien viel zu schade zum Verklappen. Sie müssten sinnvoll genutzt werden, etwa zum Deichbau. "Das ist die Lösung, die wir brauchen", sagte Lies. Als Standort für die Ablagerung von Sedimenten solle ab Herbst nächsten Jahres die Tiefseewasserreede in der Nordsee zur Verfügung stehen. Dabei geht es um einen Ankerplatz von Frachtschiffen in der Deutschen Bucht westlich von Helgoland. Es gebe aber auch noch Herausforderungen und Konflikte, die gelöst werden müssten, sagte Lies. Nach Ansicht des Ministers sollte das Schlickproblem in der zu erarbeitenden nationalen Hafenstrategie geregelt werden.
Das Bundesverkehrsministerium arbeitet zusammen mit Ländern, Verbänden und Gewerkschaften seit Ende Juni an der Hafenstrategie - so wie im Koalitionsvertrag der Ampel vereinbart. Themen sollen unter anderem die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen sein. Die Strategie soll bis 2024 fertig sein.
Die Prognosen zum Sedimentaufkommen in der Elbe seien nicht so eingetroffen wie vorhergesehen, sagte Westhagemann. Nach Ansicht von Experten liege das am Klimawandel. Stürme hätten zudem für mehr Schlick gesorgt. "Die haben uns vor völlig neue Herausforderungen gestellt", sagte der Senator. Die Elbe sei nicht das einzige betroffene Gebiet. Weltweit habe die Menge an Sedimenten in fast allen Häfen zugenommen. Das sei ein Indiz für die Klimaveränderung.
Einig zeigten sich die Minister bei ihren Forderungen an die Bundesregierung. In einem Appell forderten sie eine "Zeitenwende" für die Schiffbauindustrie. Darin plädierten sie für eine bessere Baufinanzierung für Offshore-Windanlagen und Anreize zum Umbau der Handelsflotten in Richtung klimaneutrale Schifffahrt. "Der Branche kommt sowohl bei den klimapolitischen als auch sicherheitspolitischen Veränderungen eine Schlüsselrolle zu", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD), der den Appell initiierte. Den Aufruf unterzeichneten neben Meyers Amtskollegen aus Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen auch der Verband für Schiffbau und Meerestechnik, die IG Metall Küste und die Industrie- und Handelskammer Nord.
Die Koordinatorin der Bundesregierung für Maritime Wirtschaft und Tourismus, Claudia Müller, sprach von einem guten Austausch. Die Bedeutung der maritimen Wirtschaft für die Energiesicherheit sei deutschlandweit ins Bewusstsein gerückt. Mit den Landesministern sei sie sich einig, dass die Planung beschleunigt, die Finanzierung verbessert und die lokale Wertschöpfung gesichert werden müsse.
Nach den Worten von Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) hat der Offshore-Ausbau in den Jahren 2013 und 2017 entscheidende Dämpfer bekommen. "Wir haben massive Kompetenzverluste", sagte sie. Mittelständische Anlagenbauer seien verloren gegangen, ausreichend Konverterplattformen könnten in Deutschland nicht mehr hergestellt werden. Zudem fehlten Spezialschiffe. Vogt fügte hinzu: "Wir haben schlicht auch ein Problem der Finanzierung."
Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos) forderte, aus dem Sondervermögen für eine bessere Ausstattung der Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro Aufträge für Schlüsselindustrien und Werften im Inland zu finanzieren. Nicht nur "fremde Länder" dürften Aufträge bekommen. Deutschland müsse unabhängiger werden. "Es darf nicht so sein, dass der Altbestand an Aufträgen einfach in das 100-Milliarden-Sondervermögen rüberrutscht", sagte Madsen./len/bsp/DP/men