BERLIN/BONN (dpa-AFX) - Bei der Gasversorgung in Deutschland mehren sich die Anzeichen für eine Entspannung der Lage. So sind die hohen Preise für Haushaltskunden etwas gesunken. Die Gasspeicher sind weiter gut gefüllt. Sie können im Herbst und damit vor Beginn der nächsten Heizperiode erneut randvoll sein, glauben die Speicherbetreiber. Für den Rest des laufenden Winters hält die Bundesnetzagentur eine Gasmangellage für unwahrscheinlich. Auch beim Import ist Deutschland jetzt breiter aufgestellt: Seit sieben Wochen wird auch direkt in Deutschland angelandetes Flüssigerdgas (LNG) in die Ferngasleitungen gepumpt.
Preise
Haushalte müssen derzeit für Erdgas im Schnitt weniger bezahlen als im vierten Quartal des Vorjahres. Der durchschnittliche Gaspreis für Haushaltskunden liegt derzeit laut Energiewirtschaftsverband BDEW in einem Mehrfamilienhaus (Jahresverbrauch: 80 000 Kilowattstunden) bei 17,72 Cent je Kilowattstunde. Im vierten Quartal 2022 lag der Durchschnittspreis noch bei 19,81 Cent. Zum Vergleich: Laut Bundesnetzagentur zahlten Haushalte 2019 im Jahresschnitt 6,34 Cent je Kilowattstunde Gas.
Die Neukundenpreise liegen laut dem Vergleichsportal Verivox im Bundesschnitt aktuell bei 11,94 Cent pro Kilowattstunde (kWh). "Sie sind damit seit Herbst letzten Jahres um 70 Prozent eingebrochen", sagte Verivox-Energieexperte Thorsten Storck. Auch erste Grundversorger würden ihre Preise in den kommenden Wochen senken. Die durchschnittlichen Angebote für Neukunden von überregionalen Versorgern lägen nun sowohl bei Gas als auch bei Strom unter den Preisgrenzen der Energiepreisbremsen (Gas: 12 Cent/kWh, Strom: 40 Cent/kWh). "Bleibt es bei dieser Entwicklung, müssen Haushalte und Staat in diesem Jahr deutlich weniger für Energie bezahlen als befürchtet."
Sorgen gibt es aber in der Wirtschaft. Zwar sei auch durch die Energiepreisbremsen der Regierung ein drohender Absturz der Konjunktur abgewendet worden, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Martin Wansleben. Die Preise seien aber im internationalen Vergleich, etwa zu den USA, weiter zu hoch.
Speicher und Füllstände
Der Speicherverband Ines geht davon aus, dass die Speicher in Deutschland zu Beginn der Heizperiode 2023/2024 wieder vollständig gefüllt sein können. Modellrechnungen sehen den Füllstand Ende September des laufenden Jahres bei 100 Prozent - unabhängig vom Temperaturverlauf. Im zu Ende gehenden Winter waren die Speicher Mitte November 2022 trotz russischen Gaslieferstopps seit Ende August zu 100 Prozent gefüllt gewesen. Am Mittwochmorgen lag der Füllstand bei 75,4 Prozent.
Gasverbrauch
Laut Bundesnetzagentur lag der Gasverbrauch in Deutschland in der fünften Kalenderwoche 14,3 Prozent unter dem durchschnittlichen Verbrauch der Jahre 2018 bis 2021. Temperaturbereinigt habe der Wert 12 Prozent unter dem Referenzwert gelegen, "und damit im kritischen Bereich". Als kritisch bezeichnet die Behörde die Lage, wenn temperaturbereinigt weniger als 15 Prozent Gas eingespart werden.
Die Netzagentur hält es für unwahrscheinlich, dass es in diesem Winter noch zu einer Gasmangellage kommt. "Gleichwohl bleibt die Vorbereitung auf den Winter 2023/2024 eine zentrale Herausforderung", hieß es am Donnerstag im täglichen Gaslagebericht. "Deswegen bleibt auch ein sparsamer Gasverbrauch wichtig."
LNG-Terminals
Seit dem 21. Dezember wird Flüssigerdgas auch in Deutschland in die Ferngasleitungen gepumpt. Die Mengen der an den neuen LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Lubmin eingespeisten Mengen schwanken noch stark. Der bisherige Höchstwert wurde am vergangenen Dienstag erreicht, als 204 Gigawattstunden Erdgas registriert wurden. Zum Vergleich: Allein aus Norwegen erhielt Deutschland am Dienstag über Pipelines 1377 Gigawattstunden Erdgas. In der 5. Kalenderwoche Ende Januar/Anfang Februar wurden in Deutschland täglich im Schnitt 3490 Gigawattstunden Erdgas verbraucht. Eine Gigawattstunde Erdgas entspricht einer Million Kilowattstunden.
Über das dritte Terminal in Brunsbüttel wurde bislang noch kein Gas eingespeist. Der Energiekonzern RWE