THIRUVANANTHAPURAM/NEU DELHI (dpa-AFX) - Im Hintergrund hängt ein überdimensionales Plakat: "Bundesminister Hubertus Heil, Herzlich Willkommen", steht da neben einem Porträtbild des Ministers. Gegenüber sind die Ränge voll. Voll mit ausgebildeten Pflegekräften, die nach Deutschland kommen wollen. Und sie haben viele - nicht unbedingt leichte - Fragen an den Arbeitsminister aus Deutschland. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist in das riesige Land gereist. Die Botschaft: Deutschland schaut in Asien nicht nur auf China.
Große Sorge bereitet den jungen Menschen nämlich die deutsche Sprache. Das bei Pflegekräften geforderte Sprachniveau sei zu hoch, finden sie. "Ich nehme das mit, aber ich kann da nichts versprechen. Die Anforderung ist aus zwei Gründen so hoch", sagte Heil. "Einmal um die Qualität dieser besonderen Arbeit, der Pflege zu sichern." Zum anderen sei es auch für die Integration in eine Gesellschaft wichtig, die Sprache zu sprechen.
Das Goethe-Zentrum in Thiruvananthapuram spricht von rund 90 Prozent Frauen unter den ausgebildeten Pflegekräften, die mit dem staatlichen Anwerbeprogramm "Triple Win" nach Deutschland kommen wollen. "Frauen spielen hier eine sehr große Rolle, was Kinder und Haushalt angeht", sagte Lehrerin Chiara, die den Pflegekräften im Goethe-Zentrum im südindischen Thiruvananthapuram die deutsche Sprache beibringt. "Sie lassen das alles hinter sich und nehmen ein riesiges Risiko auf sich. Ich denke, dass das zu großen persönlichen Herausforderungen führen wird." Es müsse ein Zentrum eingerichtet werden, das den Frauen vor Ort in Deutschland helfe, idealerweise auch in ihrer Muttersprache.
"Triple-Win" bedeutet dreifacher Gewinn. Im Gegensatz zu den sogenannten Gastarbeitern, die in den 60er- und 70er-Jahren zwar aktiv rekrutiert, aber dann größtenteils sich selbst überlassen wurden, sollen von der aktuellen Migration alle Beteiligten nur profitieren.
"Das sind tatsächlich größere Herausforderungen. Umso mehr will ich, dass wir nicht nur für Indien eine spezielle Fachkräfte-Strategie organisieren", sagte Heil. "Wir brauchen auch eine spezielle Integrationsperspektive in unserem Land - Willkommenskultur, wie man sagt. Die Menschen müssen sich bei uns wohlfühlen, sonst gehen sie gleich wieder."
Der Besuch von Heil ist Teil einer Charmeoffensive der Bundesregierung. Indien soll ein wichtiger Partner dabei sein, dass deutsche Firmen Lieferwege breiter aufstellen und die deutsche Wirtschaft weniger abhängig von China wird. Habeck will auch eine Energiepartnerschaft mit Indien vorantreiben: Und Indien hat derzeit die Präsidentschaft der G20-Gruppe inne, der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Der Hauptgipfel findet im September in der Hauptstadt Neu Delhi statt.
Nun sind Heil und Habeck sogar zeitgleich im Land. Die Ziele? Fachkräfte und Investitionen anwerben. "Wir haben in Deutschland die Einwanderung erleichtert", sagte Habeck am Donnerstag in Neu Delhi. Gesetze seien geändert worden. "Sehr viele indische Bürgerinnen und Bürger, Fachkräfte, wollen in Deutschland arbeiten. Es gibt 200 000 Inder, die Deutsch lernen. Ein Großteil davon will sicherlich nach Deutschland, und es ist erklärtes Ziel der Regierung Modi, diesen Austausch zu verstärken und zu ermöglichen."
Habeck war zu Gast bei einem deutsch-indischen Wirtschaftsforum zu Investitionen in Indien. Indien gilt als großer Wachstumsmarkt. Rund 2000 deutsche Unternehmen sind hier derzeit aktiv - eins davon ist die Firma SFC Energy
Den Indern ist es auch aufgrund der kolonialen Vergangenheit wichtig, das mit ihnen auf Augenhöhe kommuniziert wird. Und dass das die Deutschen tun wollen, betonten mehrere Minister, die dieses Jahr die fünftgrößte Wirtschaftsmacht der Welt besucht hatten. Man setzt auf das schnelle Wachstum. Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge soll es dieses Jahr 5,9 Prozent betragen - mehr als andere große Volkswirtschaften, aber weniger als frühere indische Wachstumsraten.
Die Wirtschaft setzt zudem große Hoffnungen auf ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien - Habeck betonte aber, die Verhandlungen seien kompliziert. Auch das habe mit der Geschichte zu tun, Indien sei bestrebt, seinen Markt zu schützen./svv/DP/he