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ROUNDUP: Hohe Strompreise, kriselnde Firmen: Habeck auf Problem-Tour

19.09.2024
um 16:56 Uhr

PAPENBURG/GEORGSMARIENHÜTTE (dpa-AFX) - Es ist eine riesige Halle, es wird geschweißt, das nächste neue Kreuzfahrtschiff soll im nächsten Jahr fertig sein. Die Auftragsbücher der Meyer Werft sind voll, dennoch geriet sie in eine finanzielle Schieflage - und wurde vom Bund und dem Land Niedersachsen mit Staatsgeldern gerettet.

Am Rande der Halle in Papenburg steht Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit einem weißen Helm. Er ist zu Gast auf einer Betriebsversammlung und sagt, die Rettung habe Bedeutung für ganz Deutschland. "Im Kreuzfahrtschiffbau, da ist Deutschland, da ist Europa mit den Standorten noch Weltführer. Einer der wenigen Bereiche, wo wir nicht von der asiatischen Konkurrenz bisher abgehängt wurden." Habeck witzelt, er und Olaf seien nun Eigentümer - mit Olaf ist Olaf Lies gemeint, Niedersachsens Wirtschaftsminister. Lies spricht von einer Aufbruchstimmung.

Wo die Hitze ist

Aufbruchstimmung aber herrscht in weiten Teilen der Wirtschaft nicht, ganz im Gegenteil. Die Stimmung wird von Verbänden als schlecht beschrieben, Firmen halten sich mit Investitionen zurück. Die Gründe: Konjunkturflaute, hohe Energiepreise, zu viel Bürokratie, Arbeitskräftemangel, Unzufriedenheit über die Ampel-Koalition.

Er wolle sich nicht "wegducken", sagt Habeck nach einem Gespräch mit Mittelständlern in Rheine im nördlichen Nordrhein-Westfalen zu seiner zweitägigen "Nordwest-Tour".

Die Reise sei so gebaut, dass er bewusst zu Unternehmen oder Branchen fahre, "wo es wirklich gerade brennt", sagt Habeck - er wolle dahingehen, wo die "Hitze ist" und Beiträge zur Lösung von Problemen leisten. "Das ist anders, wenn man vor Ort ist - mit den Leuten, mit den Betriebsräten, mit den Leuten, die da arbeiten, redet, ihnen in die Augen guckt, sieht, wie so eine Halle aussieht, riecht, wie es sich anfühlt, dort zu sein." Für die Meyer Werft sei nun eine Lösung gefunden worden.

Hohe Netzkosten belasten Firmen

Aber es bleiben große Herausforderungen. Am Morgen ist Habeck beim Stahlhersteller Georgsmarienhütte Holding GmbH (GMH). Das Thema dort: die hohen Strompreise. Auf einem Plakat auf dem Werksgelände steht: "Zieht uns nicht den Stecker." Die Streichung von staatlichen Zuschüssen zu Netzentgelten "hat uns den Teppich unter den Füßen weggezogen", sagt GMH-Chef Alexander Becker. Ein Drittel der geplanten Investitionen in diesem Jahr habe nicht umgesetzt werden können. "Wir brauchen unbedingt Unterstützung bei den Netzentgelten, sonst werden wir weiterhin Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland verlieren", sagte Becker.

Schwieriger Wandel für Industrie

Die Unternehmensgruppe betreibt unter anderem drei Elektrostahlwerke in Georgsmarienhütte, im Saarland und Sachsen und hat ehrgeizige Ziele, um CO2-Emissionen zu senken. Die Stahlproduzenten gehören zu den größten CO2-Emittenten. Der klimafreundliche Umbau weg von Kohle und Erdgas hin zu Wasserstoff und Grünstrom aber kostet viel Geld. Der Wandel wird vom Staat mit mehreren Milliarden Euro gefördert. Die deutsche Stahlindustrie kämpft aber mit einer schwachen Konjunktur, Billigimporte vor allem aus Asien und hohen Energiepreisen.

Rund ein Fünftel der industriellen Wertschöpfung sei bedroht, ergab eine vor Kurzem vorgestellte Studie im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Das Risiko einer "De-Industrialisierung" nehme kontinuierlich zu und sei teils schon eingetreten.

Habeck will Entlastung

Deutschland soll Industrieland bleiben, das ist auch das Ziel Habecks. Er spricht sich dafür aus, die Industrie von hohen Netzentgelten und damit bei den Strompreisen zu entlasten. Dafür werbe und kämpfe er. Der Minister bringt staatliche Zuschüsse in Milliardenhöhe ins Spiel. Netzentgelte sind Bestandteil des Strompreises, sie sind unter anderem durch Kosten für den Bau neuer Stromleitungen gestiegen.

Zuschuss weggefallen

Habeck verweist darauf, dass für dieses Jahr eigentlich ein Bundeszuschuss zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten von bis zu 5,5 Milliarden Euro geplant gewesen war. Das Geld sollte aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen - als Folge eines Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts musste die Bundesregierung diesen Sondertopf aber auflösen. Habeck nennt Zuschüsse zu den Netzkosten eine sinnvolle Maßnahme.

Autoindustrie in Krise

Nicht nur die staatlichen Zuschüsse zu den Netzentgelten hat die Bundesregierung aus Haushaltszwängen gestrichen - auch die staatliche Förderung zum Kauf von Elektroautos. Seitdem sind die Neuzulassungen von E-Autos auf Talfahrt. Das gilt als ein Grund, warum die deutsche Autoindustrie in der Krise ist. Diese ist einer der wichtigsten Kunden zum Beispiel von Stahlherstellern. Die GMH-Gruppe zum Beispiel ist zu 80 Prozent abhängig von Umsätzen mit Autobauern wie Volkswagen und will sich nun breiter aufstellen.

Bei Volkswagen herrscht gerade große Unruhe. Europas größter Autobauer hat angekündigt, dass im Rahmen eines Sparprogramms bei der Kernmarke VW Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht länger ausgeschlossen sind. Das trifft auf erbitterten Widerstand von Betriebsrat und IG Metall. Am Freitag will sich Habeck ein Bild von der Lage machen - bei einem Werksbesuch bei VW Emden./hoe/DP/jha

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