ROUNDUP: Tarifgespräche beginnen ohne Angebot von Bund und Kommunen
POTSDAM (dpa-AFX) - Gewerkschaften, Bund und Kommunen ringen um Löhne und Arbeitszeit für mehr als 2,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Das sind Erzieherinnen und Erzieher, Krankenpfleger, Busfahrerinnen und Feuerwehrleute sowie zahlreiche weitere Berufsgruppen. Die zweite Verhandlungsrunde begann in Potsdam ohne Angebot der Arbeitgeber. Dafür bekundeten alle Teilnehmer gemeinsam ihre Solidarität nach dem tödlichen Anschlag auf eine Verdi-Demonstration in München.
Jetzt zur Tagesordnung überzugehen, sei schwierig, machten der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke und der Verhandlungsführer des Beamtenbunds dbb, Volker Geyer, deutlich. Man habe sich aber bewusst entschieden, die Verhandlungen fortzusetzen, sich nicht einschüchtern zu lassen und demokratische Rechte zu vertreten.
Innenministerin Nancy Faeser, die für den Bund am Tisch sitzt, betonte: "Wir werden sehr ernsthaft verhandeln, damit wir angemessene und gute Lösungen für den Bund und die Kommunen ebenso wie für die Beschäftigten finden. Das ist für mich eine Frage des Respekts vor den Menschen, die unser Land Tag für Tag am Laufen halten - gerade in schwierigen Zeiten."
Forderung: Mehr Lohn und mehr freie Tage
Die Gewerkschaften verlangen zum einen ein Lohnplus von acht Prozent, mindestens aber von 350 Euro monatlich. Zugleich wollen sie drei zusätzliche freie Tage raushandeln, für Gewerkschaftsmitglieder sogar vier. Die Beschäftigten sollen flexible Arbeitszeitkonten bekommen und selbst entscheiden, ob sie Überstunden auszahlen lassen oder ansammeln wollen.
Nach der ersten Verhandlungsrunde ohne Annäherung gab es in vielen Kommunen bereits Warnstreiks in den Kitas, im Nahverkehr und bei der Müllabfuhr.
Kommunen: "Mehr frei" ist keine Lösung
Zur zweiten Tarifrunde warnten die Kommunen vor einer Überlastung. "Mehr frei" für die Beschäftigten könne nicht die Lösung sein, sagte die Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) im "Morgenmagazin" von WDR 2. Sie verhandelt als Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA).
Seit 2022 gebe es Entlastungstage für Vollzeitbeschäftigte im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst. "Das hat dazu geführt, dass teilweise Kinder-Tageseinrichtungen mehr geschlossen worden sind und alle waren unzufrieden: sowohl die Mitarbeitenden, die genau dafür gestreikt haben, als auch die Eltern", bilanzierte sie.
Städtetags-Präsident Markus Lewe warnte, den Kommunen könnten die Ausgaben "um die Ohren fliegen", wenn der Tarifforderung der Gewerkschaften nachgegeben werde. Einer Umfrage des Städtetags unter 100 Großstädten zufolge können 37 Prozent der Städte keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorlegen. Weitere 47 Prozent schafften einen ausgeglichenen Haushalt nur, indem sie auf finanzielle Rücklagen zurückgreifen.
Warnstreiks noch diese Woche möglich
Die Arbeitgeber haben sich noch nicht zu aus ihrer Sicht möglichen Tarifschritten geäußert. "Wir werden jetzt erst mal weiter verhandeln und dann schauen wir, wann wir ein Angebot vorlegen", sagte Faeser.
Die Gewerkschaften haben bereits durchblicken lassen, dass sie zu einer deutlichen Ausweitung der Warnstreiks bereit sind, wenn bis Dienstagabend kein konkretes Angebot auf dem Tisch liegt. Möglich wären dann größere Aktionen in Kitas, im Nahverkehr, in Flughäfen oder bei der Müllabfuhr - und das noch vor der Bundestagswahl, also in dieser Woche.
Eine Einigung im Tarifstreit ist frühestens Mitte März zu erwarten. Eine dritte Verhandlungsrunde ist bereits angesetzt./tam/DP/jha