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ROUNDUP/'Weckruf': Sondierungen unter dem Druck der Weltlage

03.03.2025
um 07:35 Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - Nach dem Zerwürfnis zwischen den USA und der Ukraine steigt der Druck, in Deutschland zügig eine neue Regierung zu bilden. CDU, CSU und SPD setzen ihre Sondierungsgespräche am Montag fort - nach einer ersten Runde am Freitag. Die Verhandlungen stehen unter dem Eindruck der Eskalation im Weißen Haus: US-Präsident Donald Trump hatte dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj am Freitagabend gedroht, die Ukraine im Kampf gegen Russland im Stich zu lassen, sollte es nicht zu einer Einigung mit Russland kommen. Trump überzog Selenskyj mit schweren Vorwürfen.

Im Blick stehen bei den politischen Gesprächen in Berlin deshalb auch Schritte, kurzfristig frische Milliarden zu mobilisieren - für die Bundeswehr, aber auch für mehr Eigenständigkeit Europas unabhängig von den USA und eine womöglich noch stärkere Unterstützung der Ukraine. Im Gespräch ist ein neues und größeres schuldenfinanziertes Sondervermögen nach dem Vorbild des im Grundgesetz verankerten 100-Milliarden-Topfes für die Bundeswehr kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Einer Reform der Schuldenbremse hatte CDU-Chef Friedrich Merz eine klare Absage erteilt.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erinnerte in der ARD-Sendung "Caren Miosga" daran, dass sich die europäischen Staats- und Regierungschefs am Donnerstag zu einem EU-Sondergipfel in Brüssel treffen. "Da muss Deutschland eine Position haben", sagte sie. Deutschland müsse auf den Tisch legen: "Was sind wir bereit, für unseren Frieden in Europa zu leisten?" Baerbock forderte abermals eine Reform der Schuldenbremse.

Klingbeil will gründlich mit dem möglichen Koalitionspartner reden

"Das war zweifelsohne ein Weckruf", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil in den ARD-"Tagesthemen" auf die Frage, wie sehr der Eklat im Weißen Haus den Druck erhöht habe, sich schnell auf eine neue Regierung zu einigen. Aber es müsse auch gründlich geredet werden. "Es kann nicht sein, dass manche Dinge nicht geklärt werden in den Sondierungen, in Koalitionsverhandlungen und am Ende während des Regierens einem so etwas auf die Füße fällt", sagte er. Finanzierungsfragen stünden am Anfang der Sondierungsgespräche.

SPD-Generalsekretär Matthias Miersch zeigte sich in der "Berliner Runde" zur Hamburg-Wahl im ZDF optimistisch, mit der Union finanzielle Spielräume zu schaffen. Die SPD habe schon im Wahlkampf von einem riesigen Investitionsstau gesprochen - durch den Kurswechsel der USA unter Donald Trump werde auf Europa nun noch mehr zukommen. "Ich bin guten Mutes, dass wir wirklich in den Sondierungen dort auch Pfade finden, wo sich alle hinter versammeln können", sagte Miersch.

Generalsekretäre wollen nicht aus den Sondierungen plaudern

Miersch und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann weigerten sich gleichermaßen, über Inhalte der bisherigen Sondierungen zu sprechen. "Wenn wir jetzt anfangen, tagtäglich aus diesen Sondierungen irgendwelche Ergebnisse oder Zwischenstände nach draußen zu posaunen, dann war es das", sagte Linnemann. "Dann hat diese mögliche Konstellation keinen Erfolg."

Zu klären ist dabei auch, ob in Sachen Finanzen noch einmal das alte Parlament aktiviert werden sollte, das bislang mit allen Kompetenzen weiter besteht. Im neuen Bundestag haben Union, SPD und Grüne keine Zwei-Drittel-Mehrheit mehr, die aber für mögliche Grundgesetzänderungen erforderlich wäre.

FDP zeigt sich offen für Sondervermögen - unter Bedingungen

FDP-Fraktionschef Christian Dürr will dem Vernehmen nach am Montag mit CDU-Chef Merz über eine mögliche Ausweitung des Sondervermögens reden. Dürr warnte davor, Verteidigungsprojekte aus dem Haushalt in ein Sondervermögen zu verschieben - denn dann könnte sich der künftige Kanzler vor notwendigen Reformen drücken, "vor allem beim aufgeblähten Sozialstaat". "Denkbar wäre allenfalls ein neuer Mechanismus, der sicherstellt, dass Verteidigung und Sicherheit zunächst Kernaufgaben im Haushalt bleiben und das Sondervermögen damit verknüpft ist, dass im Bundeshaushalt dauerhaft mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung zur Verfügung stehen", sagte Dürr der Deutschen Presse-Agentur./bg/DP/zb