ROUNDUP: Portugal droht Neuwahl - Abstimmung über Vertrauensfrage
LISSABON (dpa-AFX) - Noch nicht mal ein Jahr nach dem Amtsantritt von Ministerpräsident Luís Montenegro droht Portugal erneut eine vorgezogene Parlamentswahl. Die Abgeordneten der "Assembleia da República" stimmen am Abend in Lissabon über die vom Regierungschef gestellte Vertrauensfrage ab. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Abstimmung zum Sturz der konservativen Minderheitsregierung und zu einer Neuwahl irgendwann im Mai führen wird.
Die Krise kam überraschend, denn der einstige EU-Schuldensünder verzeichnet auch nach dem Regierungswechsel vom Frühjahr 2024 weiterhin relativ gute Wachstumsraten und eine historisch niedrige Arbeitslosigkeit bei anhaltend strikter Ausgabendisziplin. Vorwürfe über einen möglichen Interessenkonflikt durch eine Familienfirma trieben Montenegro aber zuletzt schnell in die Enge.
Der Regierungschef weist alle Vorwürfe zurück
Die Opposition wirft dem 52-Jährigen Vorteilnahme vor. Das von Montenegro 2021 gegründete Beratungs- und Immobilienunternehmen Spinumiva soll demnach von der Position des Ministerpräsidenten profitiert haben, um Verträge mit Privatfirmen zu unterzeichnen. Der Regierungschef bestreitet jede Unregelmäßigkeit. Die Firma gehöre inzwischen seiner Frau und seinen Kindern.
Im Rahmen der Affäre überstand Montenegro immerhin zwei Misstrauensvoten. Da die Opposition aber trotzdem ihre Pläne für eine Untersuchungskommission nicht aufgab, stellte er die Vertrauensfrage. Die Neuwahl sei ein "notwendiges Übel", sagte er. "Zwei Monate Instabilität sind besser als anderthalb Jahre langsamer Zerfall".
Wie geht es im Fall eines Regierungssturzes weiter?
Das politische Schicksal Montenegros scheint besiegelt. Denn die beiden größten Oppositionsfraktionen, die Sozialistische Partei (PS) und die Rechtspopulisten von Chega, die zusammen über die Hälfte der Sitze im Parlament innehaben, haben bereits verkündet, dass sie ihm nicht das Vertrauen aussprechen wollen.
Nach einem Regierungssturz könnte Präsident Marcelo Rebelo de Sousa zwar auch einen anderen Politiker des Regierungsbündnisses "Demokratische Allianz" (AD) oder Oppositionsführer Pedro Nuno Santos (PS) mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen. Als wahrscheinlicher gilt aber, Rebelo werde eine Neuwahl als Lösung vorziehen, die im Mai stattfinden könnte.
Es wäre bereits die dritte Parlamentsneuwahl innerhalb von nur gut drei Jahren. Die vorerst letzte gab es erst am 10. März 2024, nachdem der damalige sozialistische Ministerpräsident António Costa wegen Korruptionsermittlungen gegen ihn und andere Regierungsmitglieder zurückgetreten war. Nach jetzigem Stand hat sich Costa allerdings nichts zuschulden kommen lassen. Der 63-Jährige ist inzwischen Präsident des Europäischen Rates./er/DP/zb