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ROUNDUP 3: Koalition ringt um Lösungen bei der Stromsteuer

01.07.2025
um 14:52 Uhr

(neu: mehr Details und Hintergrund)

BERLIN (dpa-AFX) - Unter anhaltendem Druck vor allem aus der Wirtschaft sucht die schwarz-rote Koalition beim Streitthema Stromsteuer nach Lösungen. Die Kernfrage ist, wie eine milliardenschwere Senkung der Stromsteuer für alle Betriebe und Verbraucher finanziert werden könnte.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) äußerte sich vor dem Treffen der Koalitionsspitzen am Mittwoch zwar grundsätzlich offen für eine mögliche Ausweitung der Stromsteuersenkung - aber nur wenn die Gegenfinanzierung gesichert ist. "Alles, was unsere Haushaltsmittel möglich machen, ist denkbar, aber wir müssen eben auch den Haushalt ausgleichen", sagte Merz nach einem Treffen mit dem luxemburgischen Ministerpräsidenten Luc Frieden in Berlin.

Kanzler: Bereits Entlastungen beschlossen

Merz sagte, es seien bereits auch für die privaten Haushalte und für eine ganz große Zahl von Unternehmen Entlastungen beschlossen worden. "Ob wir über diese Entlastungen hinausgehen können, das werden wir morgen besprechen", sagte der Kanzler mit Blick auf den Koalitionsausschuss. Das werde auch in den parlamentarischen Beratungen noch zu besprechen sein.

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sagte, die Haushaltslage müsse nach drei Jahren Rezession in Einklang gebracht werden mit der Geschwindigkeit der Entlastungsmaßnahmen.

Eine Senkung der Stromsteuer für alle Verbraucherinnen und Verbraucher würde nach Angaben des Bundesfinanzministeriums im kommenden Jahr rund 5,4 Milliarden Euro zusätzlich kosten.

Was das Kabinett auf den Weg gebracht hat

Das Kabinett hatte im Zuge des Haushaltsentwurfs beschlossen, dass es zum 1. Januar 2026 Entlastungen bei den Netzentgelten, einem Bestandteil des Strompreises, geben soll. Außerdem soll die Gasspeicherumlage für Gaskunden abgeschafft werden. Die Absenkung der Stromsteuer für die Industrie, Land- und Forstwirtschaft soll "verstetigt" werden.

Dass die Stromsteuer zum 1. Januar 2026 nicht für alle Betriebe und private Haushalte gesenkt werden soll, hat breite Kritik ausgelöst - auch innerhalb der Union. Kritik kam unter anderem von Unionsfraktionschef Jens Spahn und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (beide CDU). Dies sorgte für Verärgerung in der SPD. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf warnte die Union davor, gemeinsame Einigungen der Regierung aufzukündigen.

Merz sowie Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) hatten den Kurs bei der Stromsteuer verteidigt und auf Haushaltszwänge verwiesen. Priorität habe angesichts der Wachstumsschwäche, die Industrie zu entlasten.

Wirtschaft macht Druck

In einem gemeinsamen Aufruf an Reiche, welcher der dpa vorliegt, bestehen mehrere Wirtschaftsverbände auf einer Senkung der Steuer zum 1. Januar für alle Verbrauchergruppen - und damit auch alle Betriebe. Die Senkung der Stromkosten sei ein "wichtiger Baustein" für die Energiewende und den Umstieg auf klimaschonende Technologien wie E-Fahrzeuge und Wärmepumpen, heißt es. Die Koalition müsse ein klares Signal für den Wirtschaftsstandort und die Energiewende in Deutschland setzen. Ähnliche Briefe wie Reiche sollten auch an Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) und die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden übermittelt werden.

Stefan Körzell, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Versprochen ist versprochen: Die Stromsteuersenkung für alle wurde im Koalitionsvertrag eindeutig als Sofortmaßnahme vereinbart. Jetzt ist die ganze Bundesregierung in der Pflicht, dass sie auch schnell kommt."

Was im Koalitionsvertrag steht

CDU, CSU und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart: "Wir wollen Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft um mindestens fünf Cent pro kWh mit einem Maßnahmenpaket entlasten. Dafür werden wir als Sofortmaßnahme die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken und Umlagen und Netzentgelte reduzieren." Allerdings gilt auch hier wie für alle Vorhaben in der Abmachung, dass sie "unter Finanzierungsvorbehalt" stehen, sprich: Es muss Geld dafür vorhanden sein.

Neue Einigkeit oder neuer Streit?

Der SPD-Haushaltspolitiker Thorsten Rudolph riet der Union bei "Politico", "zuallererst auf ihre extrem teuren Wahlgeschenke" wie zum Beispiel die Mütterrente zu verzichten.

Die Ausweitung der Mütterrente kostet fünf Milliarden Euro, könnte aber erst zum 1. Januar 2028 kommen. In der Kritik stehen auch die angekündigte Erhöhung der Pendlerpauschale oder die Rücknahme der Streichungen von Agrardiesel-Vergünstigungen.

Union: Ausgaben beim Bürgergeld senken

Beim Koalitionsausschuss soll es auch um eine Reform des Bürgergeldsystems gehen. Die Union pocht auf Einsparungen. "Beim Bürgergeld gibt es durchaus erhebliches Einsparpotenzial. Damit ließen sich jedenfalls mittelfristig auch Stromsteuersenkungen finanzieren", sagte Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) der dpa. Der Haushalts- und Finanzpolitiker sagte: "Vor allem, wenn wir mehr Bürgergeldempfänger in Arbeit vermitteln würden, ließe sich viel sparen." Ein zu hoher Anteil der Bürgergeld-Beziehenden könne arbeiten, tue es aber nicht./mi/DP/jha