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Krise in London: Vizeregierungschefin tritt zurück

05.09.2025
um 14:34 Uhr

LONDON (dpa-AFX) - Die britische Regierung ist wegen einer Steueraffäre der stellvertretenden Regierungschefin in eine Krise geraten. Vizepremierministerin Angela Rayner musste wegen zu gering entrichteter Grunderwerbssteuer zurücktreten. Berichten zufolge wollte Premierminister Keir Starmer den Rückzug Rayners für eine umfassende Kabinettsumbildung nutzen.

Für Starmers sozialdemokratische Labour-Partei ist der Rücktritt Rayners ein massiver Rückschlag. Sie galt als Galionsfigur des linken Parteiflügels und als Hoffnungsträgerin einer Partei, die in den Umfragen derzeit schwächelt. Die Regierung ist wegen einer stotternden Wirtschaft, steigender Lebenshaltungskosten und wachsender Unzufriedenheit über hohe Einwanderungszahlen schon länger in der Defensive.

Profiteur der Krise ist Rechtspopulist Farage

Der Rücktritt Rayners kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt ausgerechnet am ersten Tag der Parteikonferenz der Rechtspopulisten von Nigel Farages Reform-Partei. Der Brexit-Vorkämpfer treibt die Regierung vor sich her und gilt als größter Profiteur der Labour-Krise.

Reform liegt in Umfragen seit Monaten vor der Regierungspartei und den noch weiter abgeschlagenen Konservativen von Oppositionsführerin Kemi Badenoch. Farage spielt mit der Angst der britischen Bevölkerung, insbesondere beim Thema Migration und hatte Starmers Regierungskurs immer wieder scharf kritisiert oder ins Lächerliche gezogen.

Die Nachricht von Rayners Rücktritt löste bei der Reform-Jahreskonferenz am Freitag in Birmingham große Freude aus. Etliche Reform-Unterstützer übernehmen Farages Narrativ einer unfähigen Labour-Regierung, die die Probleme in Großbritannien angeblich nicht lösen kann.

Politikerin mit hoher Glaubwürdigkeit bei Arbeiterklasse

Rayner war in den vergangenen Tagen erheblich unter Druck geraten. Sie hatte zugegeben, sich bei der Frage nach der Höhe der Grunderwerbssteuer für eine Immobilie auf Rat verlassen zu haben, der sich als falsch herausstellte. Sie hatte selbst um eine Untersuchung gebeten, ob sie damit gegen die Verhaltensstandards für Kabinettsmitglieder verstoßen hatte. Diese kam zum Schluss, dass ein Verstoß vorlag. Rayner zieht nun die Konsequenzen.

Rayner gilt als schlagfertige und begabte Politikerin, die keine Auseinandersetzung scheute. Gelegentlich schoss sie übers Ziel hinaus, etwa als sie die politischen Gegner der Tory-Partei als "Abschaum" bezeichnete - und sich entschuldigen musste.

Als Ministerin war sie unter anderem für die Themen Wohnen und kommunale Angelegenheiten zuständig. Glaubwürdigkeit in der britischen Arbeiterpartei verlieh ihr vor allem ihr bescheidener Hintergrund als Teenager-Mutter, die in einer Sozialwohnung aufgewachsen war und sich mit viel Fleiß in einer Gewerkschaft nach oben gearbeitet hatte. Auch ihr nordenglischer Dialekt trug zu diesem Ruf bei. Sie ist mit 45 Jahren bereits Großmutter.

Von politischen Gegnern wurde Rayner auch immer wieder zum Ziel sexistischer Vorwürfe. So berichtete die Boulevardzeitung "Mail on Sunday" einmal, Abgeordnete der Konservativen Partei hätten sich darüber beschwert, sie habe versucht, den Premierminister im Parlament mit ihren Beinen zu irritieren./cmy/DP/mis