dpa-AFX Compact

ROUNDUP 2/Kabinett in Klausur: Ein moderneres Land - und andere Sorgen

01.10.2025
um 13:14 Uhr

(neu: Aktualisiert.)

BERLIN (dpa-AFX) - Industriellen-Villa statt Barockschloss, eine Tagesordnung mit viel Detailarbeit: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und seine schwarz-rote Koalition wollen das Signal einer nüchternen Arbeitsatmosphäre senden. Aber die Kabinettsklausur in der Villa Borsig im Norden Berlins wird auch eingeholt von sicherheitspolitischen Sorgen.

Was nicht auf der Tagesordnung stand

"Wir sind nicht im Krieg, aber wir sind auch nicht mehr im Frieden", hat Merz kürzlich in Bezug auf Drohnen-Überflüge in Dänemark und über Schleswig-Holstein gesagt. Spähten die Flugobjekte gezielt kritische Infrastruktur auch in Deutschland aus? Ein Thema, um das das Kabinett auch bei einer Klausurtagung nicht herumkommt.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt kündigte an, bei der Drohnenabwehr Tempo zu machen. Schon in der nächsten Woche soll eine entsprechende Reform auf den Weg gebracht werden. "Wir stellen fest, dass es eine hybride Bedrohungslage gibt, die steigt", sagte der CSU-Politiker. Neben der Polizei müsse auch die Bundeswehr die Möglichkeit erhalten, Drohnen abzuwehren. Nicht jede Drohne, auch von fremden Mächten gesteuert, sei automatisch eine Bedrohung, betonte der Innenminister. Oft gehe es einfach um Provokation.

Ein Journalist fragte, ob Merz Deutschland in einem Spannungsfall sehe, der der Bundeswehr zusätzlich Befugnis zur Drohnenabwehr im Inland geben würde - und ob die Amtshilfe durch die Bundeswehr von drohenden schweren Unglücksfällen auf andere Bereiche ausgeweitet werden solle. Der Kanzler antwortete: "Ich sehe das nicht so."

Die eigentliche Agenda

Deutschland wird moderner, das sollte die eigentliche Botschaft der schwarz-roten Klausurtagung sein. Der neue Digital- und Staatsmodernisierungsminister Karsten Wildberger (CDU) erklärte seinen Kabinettskollegen, wie es gelingen soll, Staat und Verwaltung effizienter digitaler und bürgernäher zu machen. Nach Angaben aus Regierungskreisen sprach der ehemalige MediaMarktSaturn-Manager von einer Langfristaufgabe, die nur gemeinsam mit allen Ressorts gelingen könne.

Die Ministerrunde beschloss eine Modernisierungsagenda - eine Art Gesellenstück Wildbergers, den Merz aus der Wirtschaft in sein Kabinett geholt hatte und dem er extra ein neues Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung geschaffen hatte.

Das 40-seitige Papier sieht etwa 80 konkrete Maßnahmen vor:

* Eine Senkung der Bürokratiekosten um 25 Prozent, durch die Unternehmen rund 16 Milliarden Euro sparen sollen.

* Eine Zentralisierung der Online-Kfz-Zulassung, so dass es ein flächendeckendes Angebot für alle gibt.

* Unternehmensgründer sollen es einfacher haben. Ermöglicht werden soll eine Gründung innerhalb von 24 Stunden über ein zentrales Webportal.

* Auf einem Bürokratiemeldeportal sollen Bürger konkrete Verbesserungsvorschläge machen können.

* Schulungen und KI-Tools für Mitarbeiter in den Ministerien sollen helfen, dass praxistauglicheres und bürokratieärmeres Recht entsteht.

* 1:1-Umsetzung von EU-Recht "ohne bürokratische Übererfüllung" - also ohne eigene noch strengere Vorgaben.

* Weniger Ausnahmen bei der sogenannten Bürokratiebremse (One-in-one-out-Regel): Werden Unternehmen an einer Stelle durch eine neue Regelung belastet, muss es an anderer Stelle eine Entlastung geben.

Die Personalsorgen am Rande

Am Mittwoch hatte der Zusammenbruch von Verkehrsminister Patrick Schnieder dem Kabinett einen Schockmoment verpasst. Am Tisch sackte der CDU-Politiker zusammen und kam ins Krankenhaus. Am nächsten Morgen gab der Kanzler Entwarnung: Es gehe Schnieder besser, sagte Merz. "Er ist zu Hause und stabil, aber muss sich noch ein bisschen erholen. Es ist alles gut."

Das Gefühlige

Merz' Koalition ist ruckelig gestartet: Kanzlerwahl erst im zweiten Anlauf, verpatzte Richterwahl und viel Streit bei Sachthemen. Trotzdem bescheinigt der Kanzler seiner Regierung eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. "Wir haben es wirklich in den letzten Monaten geschafft, eine sehr, sehr gute, sehr kollegiale, sehr offene Arbeitsatmosphäre in dieser Koalition zu schaffen", sagte er. "Und deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass die uns gestellten Aufgaben gelöst werden können."

Eine der größten Aufgaben dürfte sein, die kriselnde Wirtschaft anzukurbeln. Man habe den Anspruch, hier wieder an die Spitze zu kommen, betonte Merz - und die Investitionsprogramme der Bundesregierung zeigten auch schon erste Wirkung.

Kommt Merz' Ruck-Rede?

Danach stieg der Kanzler direkt in den Helikopter, auf zum Flughafen und dann zum EU-Gipfel in Kopenhagen. Am Freitag will er zurück sein, zu einer Rede am Tag der Deutschen Einheit, die in Regierungskreisen bereits als Ruck-Rede angekündigt wurde. Dieses Wort nahm Merz nicht in den Mund. Seine Ansprache werde "ein bisschen nach vorne gerichtet sein und sie wird ein paar Themen enthalten, die ich als dringlich ansehe zur Lösung der Probleme in unserem Land", kündigte der Kanzler stattdessen an./jr/DP/men