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ROUNDUP: Streit um Rundfunkbeitrag geht in weitere Runde

15.10.2025
um 16:56 Uhr

LEIPZIG (dpa-AFX) - Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerät immer wieder in die Kritik, insbesondere der monatliche Rundfunkbeitrag ist nicht wenigen Menschen ein Dorn im Auge. Aber ab wann genügt das Programm nicht mehr den Anforderungen an Vielfalt und Ausgewogenheit? Und lässt sich daraus ein Anspruch ableiten, den Rundfunkbeitrag nicht mehr zahlen zu müssen? Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat dazu ein Grundsatzurteil gesprochen (Az.: BVerwG 6 C 5.24).

Die Richter stellten hohe Hürden für die Beurteilung der Programmqualität auf. Demnach wird der Rundfunkbeitrag erst dann verfassungswidrig, wenn das gesamte Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit "über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt". Das allerdings könnten Verwaltungsgerichte überprüfen.

Davon ausgehend muss sich der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München erneut mit der Klage einer Frau aus Bayern befassen, die den Rundfunkbeitrag nicht zahlen wollte. Ursprünglich hatte der VGH ihre Klage abgewiesen und die Frau für eine Beschwerde über das Programm an die Rundfunkräte verwiesen. Am Ende könnte die Beitragspflicht erneut vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Der Weg dahin ist nach dem Leipziger Urteil allerdings steinig.

Klägerin: Programm weder ausgewogen noch vielfältig

Die Klägerin hatte argumentiert, dass der öffentliche Rundfunk seinen gesetzlichen Auftrag verfehle, weil das Programm weder ausgewogen noch vielfältig sei. Um das - und damit eine mögliche Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrages - zu belegen, gelten jedoch hohe Anforderungen, betonten die Bundesrichter.

Das Bundesverfassungsgericht hatte den Rundfunkbeitrag 2018 grundsätzlich bestätigt. In der Möglichkeit, die Sender zu empfangen, liege der individuelle Vorteil für die Nutzer, der den Beitrag rechtfertigte. Ob man ARD, ZDF oder Deutschlandradio auch tatsächlich anschaut oder anhört, darauf kommt es nicht an. Wichtig: Das Programm muss dabei so gestaltet sein, dass der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfüllt wird. Dieser Auftrag liegt darin, objektiv und unparteilich zu berichten und dabei die Ausgewogenheit und die Meinungsvielfalt zu berücksichtigen.

Gerichte sollen Programmvielfalt prüfen können

Im Jahr 2018 habe das Bundesverfassungsgericht keinen Zweifel daran gehabt, dass das öffentlich-rechtliche Programmangebot die Beitragspflicht rechtfertige, sagte der Vorsitzende Richter am Bundesverwaltungsgericht, Ingo Kraft. "Ob sich hieran inzwischen etwas geändert hat, obliegt der tatrichterlichen Würdigung, ohne dass den Rundfunkanstalten insoweit ein Beurteilungsspielraum zusteht." Deswegen müsse sich der VGH in München erneut damit befassen.

Für eine Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrages müsse "ein grobes Missverhältnis zwischen Abgabenlast und Programmqualität" vorliegen, so die Bundesrichter. Um das zu prüfen, müsse eine Zeitspanne von mindestens zwei Jahren in den Blick genommen werden. Wissenschaftliche Gutachten müssten "hinreichende Anhaltspunkte für evidente und regelmäßige Defizite" im gesamten Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ergeben.

Erneute Prüfung durch Bundesverfassungsgericht?

Komme der VGH auf dieser Grundlage zu der Einschätzung, der Rundfunkbeitrag sei verfassungswidrig, müsse die Beitragspflicht erneut dem Bundesverfassungsgericht zur Kontrolle vorgelegt werden. "Allerdings erscheint es nach dem bisherigen tatsächlichen Vorbringen derzeit überaus zweifelhaft, ob die Klägerin eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wird erreichen können", so Kraft.

Der Anwalt der Klägerin sagte, das Urteil sei ein Erfolg. Dass die Verwaltungsgerichte verpflichtet seien, die Programmvielfalt zu prüfen, sei eine gute Nachricht für den Rechtsschutz der Bürger. Die Hürden seien zu recht hoch, denn die Rundfunkfreiheit sei ein hohes Gut.

Der ARD-Vorsitzende Florian Hager betonte, dass ein vielfältiges und ausgewogenes Programm für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zentral sei. Unabhängig von dem Urteil stehe fest: "Perspektivenvielfalt und Ausgewogenheit sind journalistische Werte, um die wir täglich ringen müssen. Denn unser Auftrag ist ein Programm für alle, das auch alle erreicht. Der Diskussion, ob uns das gelingt, stellen wir uns."/bz/DP/jha