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ROUNDUP 2: Rom stoppt Auslieferung von Nord-Stream-Verdächtigem

15.10.2025
um 19:28 Uhr

(aktualisierte Fassung)

ROM (dpa-AFX) - Die Pläne für einen baldigen Prozess gegen den mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge auf die Nord-Stream-Gasleitungen 2022 in der Ostsee vor einem deutschen Gericht haben sich zerschlagen. Die Auslieferung des 49 Jahre alten Ukrainers an Deutschland wurde vom höchsten italienischen Gericht wegen Verfahrensmängeln überraschend gestoppt. Der Mann war im August während des Sommerurlaubs in Italien festgenommen worden. Ungewiss ist, wann es mit dem juristischen Verfahren nun weitergeht.

Die deutschen Ermittler halten Serhij K. für den Drahtzieher der Sabotageaktion, die wenige Monate nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine weltweit Schlagzeilen machte. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm gemeinschaftliches Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und verfassungsfeindliche Sabotage vor. Deshalb will sie ihn in Deutschland vor Gericht bringen. Der Kassationshof in Rom hob die von einer früheren Instanz bereits genehmigte Auslieferung nun jedoch überraschend auf.

Neue Entscheidung erst in einigen Wochen

Begründet wird dies nach Angaben von K.s Anwalt Nicola Canestrini damit, dass dem Ukrainer nach der Festnahme Ende August in Italien wesentliche Rechte bei der Beteiligung am juristischen Verfahren versagt worden seien. Dem Anwalt zufolge wurde dies von italienischer Seite damit gerechtfertigt, dass gegen den Ukrainer auch ein Terrorismusverdacht bestünde. Von deutscher Seite sei dieser Vorwurf nicht erhoben worden.

Der Fall geht nun zurück an einen anders zusammengesetzten Gerichtshof in Bologna, der neu beschließen muss. Diese Richter müssen dann über den Auslieferungsantrag neu entscheiden. Vermutlich wird dies erst in einigen Wochen geschehen. Auch die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete darüber. Die schriftliche Begründung des Beschlusses durch den Kassationshof steht noch aus.

Anschlag hatte weltweit Schlagzeilen gemacht

K. war im Sommer auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls an der italienischen Adriaküste festgenommen worden, wo er mit seiner Familie Urlaub machte. Offenbar rechnete er nicht damit, dass ihm dies zum Verhängnis werden könnte. Derzeit sitzt er im Norden Italiens in einem Hochsicherheitsgefängnis. Sein Anwalt kündigte an, einen Antrag auf Freilassung zu stellen. Darüber müsste ein Gericht - wieder in Bologna - dann demnächst entscheiden.

Der Anschlag gegen das frühere deutsch-russische Prestigeprojekt Nord Stream hatte vor drei Jahren weltweit Aufsehen erregt. Ein halbes Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine beschädigten mehrere Sprengungen die beiden Pipelines so sehr, dass kein Gas mehr durchgeleitet werden konnte. Die Explosionen wurden in der Nähe der dänischen Insel Bornholm registriert. Wenig später entdeckte man vier Lecks an drei der insgesamt vier Leitungen.

Polnische Justiz will am Freitag über Auslieferung entscheiden

Durch Nord Stream 1 floss zuvor russisches Erdgas nach Deutschland. Nord Stream 2 war wegen des Kriegs noch nicht in Betrieb. Nach Überzeugung der deutschen Ermittler soll K. ein Team von insgesamt sieben Verdächtigen geleitet haben, darunter vier Taucher. Für die Anschläge sollen sie in Deutschland eine Segeljacht namens "Andromeda" angemietet haben, mit der sie dann hinaus auf die Ostsee gefahren sein sollen. Ein weiterer Verdächtiger, ebenfalls ein Ukrainer, sitzt in Polen in U-Haft.

Der Einspruch beim Corte Suprema di Cassazione (Oberster Kassationsgerichtshof) war für K. praktisch die letzte Chance, einer Auslieferung zu entgehen. Dem Anwalt zufolge kam das Gericht zu der Einschätzung, dass durch die Behandlung des Ukrainers in Italien "gegen in der Europäischen Menschenrechtskonvention und im EU-Recht verankerte Garantien verstoßen" worden sei.

Ungewiss ist auch, ob Polen den anderen festgenommenen Ukrainer ausliefern wird. Darüber soll am Freitag ein Gericht entscheiden. Der 46 Jahre alte Wolodymyr Z. soll nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft einer der Taucher gewesen sein. Anders als in Italien hat der Fall in Polen auch politische Brisanz. Der polnische Regierungschef Donald Tusk sagte kürzlich, es liege nicht im Interesse seines Landes, den Mann anzuklagen oder an einen anderen Staat auszuliefern. Warschau war von Anfang an gegen den Bau der Pipelines./cs/DP/he