ROUNDUP: 500.000 Vögel getötet - Werden Eier teurer, Gänse knapp?
GREIFSWALD (dpa-AFX) - Die Vogelgrippe breitet sich in Deutschland in diesem Herbst ungewöhnlich früh und rasant aus. Seit Anfang September hat das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) 30 Ausbrüche in Geflügelhaltungen sowie 73 Fälle bei Wildvögeln registriert. Mehr als 500.000 Hühner, Enten, Gänse und Puten seien bislang betroffen und getötet worden. Üblicherweise gebe es einen Anstieg der Infektionszahlen Anfang November während des Vogelzugs. Das FLI ist die für Nutztierseuchen zuständige Bundesbehörde.
Die Zahlen seien nur eine Momentaufnahme, da sich die Lage derzeit so schnell ändere, sagte eine Institutssprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Die Daten bildeten deshalb eher die derzeitige Dimension und nicht die absoluten Zahlen ab. Aktuell werden 23 weitere Verdachtsfälle geprüft - 22 bei Wildvögeln, einer bei gehaltenem Geflügel. "Mit weiteren ist zu rechnen."
Viele Fälle im Osten und Niedersachsen
Besonders viele Ausbrüche der Seuche, die auch als Geflügelpest bekannt ist, meldet das FLI aus Niedersachsen (8), Mecklenburg-Vorpommern (6), Brandenburg (5) und Thüringen (4). Hinzu kommen Schleswig-Holstein (3), Nordrhein-Westfalen (2) sowie Baden-Württemberg und Bayern (je 1). In zwei Betrieben in Vorpommern wurden rund 150.000 Legehennen gekeult, im brandenburgischen Märkisch-Oderland weitere 130.000 Tiere.
Bei Wildvögeln entfallen die meisten Fälle auf Thüringen (15), Brandenburg (14) und Niedersachsen (12). Weitere Nachweise stammen aus Mecklenburg-Vorpommern (8), Bayern (7), Sachsen-Anhalt (5), Hamburg, Hessen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen (je 3) sowie Berlin und Rheinland-Pfalz (je 1). Besonders stark betroffen sind in diesem Herbst Kraniche. In Nordbrandenburg mussten Einsatzkräfte Tausende verendete Tiere von Feldern bergen. Das Landesuntersuchungsamt in Rheinland-Pfalz spricht von einer "ungewöhnlichen Dynamik" - täglich gehen neue Verdachtsmeldungen ein.
Forderung nach bundesweiter Stallpflicht
Der Höhepunkt des Vogelzugs steht laut FLI noch bevor. Damit sei für Tierhalter die Gefahr, dass die Vogelgrippe in ihre Bestände eingeschleppt wird, weiterhin groß. Die Betriebe wurden von zuständigen Ämtern und Politikern ermahnt, die Hygienemaßnahmen genauestens einzuhalten. Zur Eindämmung der Seuche gelten in vielen Regionen Schutzzonen mit zusätzlichen Auflagen.
Zugleich mehren sich die Forderungen nach einer bundesweiten Aufstallungspflicht. Geflügel aus Freilandhaltung müsste dann vorübergehend in geschlossenen Ställen gehalten werden. Hans-Peter Goldnick, Präsident des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft, sprach im ZDF-Morgenmagazin von einer der wichtigsten Maßnahmen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Auch etwa Bayerns Landesverband schloss sich dieser Forderung an.
Wird Geflügel wegen der Seuche teurer?
Trotz massenhafter Keulungen rechnet die Geflügelwirtschaft bislang nicht mit starken Preissteigerungen. Verbandspräsident Goldnick sagte im ZDF-Morgenmagazin, er glaube nicht, "dass wir kurzfristige Preisexplosionen haben". Die meisten Gänse in Deutschland stammten aus Importen, etwa aus Ungarn und Polen. Sollte sich die Lage jedoch weiter zuspitzen, könne sich das Preisniveau ändern.
Besorgter äußerte sich Robert Schmack, Vorsitzender des bayerischen Geflügelwirtschaftsverbands. Er hält eine Erhöhung der Eierpreise um bis zu 40 Prozent für möglich - ein Zehnerpack könnte dann statt 2,50 Euro rund 3,50 Euro kosten. Auch mit eingeschränkter Produktauswahl im Handel sei zu rechnen, sagte er im Bayerischen Rundfunk.
Für einzelne Betriebe kann ein Ausbruch existenzbedrohend sein. "Die Vogelgrippe ist das Los der Branche", sagt Georg Heitlinger, Landwirt und Vorsitzender des Geflügelwirtschaftsverbands Baden-Württemberg. In Öllingen (Alb-Donau-Kreis) wurden nach Bestätigung eines Verdachtsfalls rund 15.000 Tiere gekeult.
Schäden können über die Tierseuchenkassen geltend gemacht werden. Aktuell liegt die Entschädigungsgrenze bei 50 Euro pro Tier. Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) will diesen Höchstsatz auf bis zu 110 Euro anheben.
Rastgebiete meiden, tote Vögel nicht berühren
Laut FLI handelt es sich bei den Infektionen um das hochansteckende Influenzavirus (HPAIV) des Subtyps H5N1 - umgangssprachlich als Vogelgrippevirus bekannt. Neben Kranichen sind auch andere Wildvögel wie Enten und Gänse sowie Nutztiere wie Legehennen, Mastgänse und Puten betroffen.
Das Virus ist bei hoher Infektionsdosis prinzipiell auch auf den Menschen übertragbar. In Deutschland ist dem Robert Koch-Institut zufolge noch kein H5N1-Fall bei einem Menschen bekanntgeworden.
Zur Eindämmung rät das FLI, Rastgebiete zu meiden, tote Vögel nicht zu berühren und verunreinigte Gegenstände wie Schuhe oder Gerätschaften nicht in Tierhaltungen einzubringen. Auch Aasfresser wie Krähen oder Raubvögel könnten das Virus weitertragen.
Grüne: "Anfälligkeit der Massentierhaltung" offengelegt
Die Grünen im Bundestag sehen die aktuelle Lage als Beleg für strukturelle Schwächen der Massentierhaltung. Zu große Ställe mit hoher Besatzdichte machten Betriebe besonders anfällig für Tierseuchen, sagte Zoe Mayer, Sprecherin für Ernährung, Landwirtschaft und Heimat und Tierschutzbeauftragte./scr/DP/he