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WDH/ROUNDUP: Berichte über neuen US-Friedensplan - Ukraine unter Druck

20.11.2025
um 07:08 Uhr

(Im 9. Absatz muss es richtig "Selenskyjs Rückkehr" - nicht: Selenskys Rückkehr" heißen. Im 11. Absatz wurde zudem eine Formulierung korrigiert: "Erdogan rief in Ankara zu neuen Gesprächen zwischen Kiew und Moskau in Istanbul auf." - statt: "Erdogan drängte in Ankara darauf, dass Kiew und Moskau zu neuen Gesprächen in Istanbul auf.")

KIEW/WASHINGTON (dpa-AFX) - Die Ukraine gerät durch einen angeblich von der US-Führung mit Moskau im Geheimen ausgehandelten Friedensplan unter Druck. Von dem angegriffenen Land verlange der Rahmenentwurf große Zugeständnisse, berichtete die "Financial Times" unter Berufung auf am Gesprächsprozess beteiligte Personen. Die Ukraine solle die umkämpften Gebiete Donezk und Luhansk vollständig räumen und ihre Armee halbieren.

Vor dem Hintergrund der Berichte steht für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj heute in Kiew ein Treffen mit einer US-Militärdelegation an. In Brüssel kommen unterdessen die EU-Außenminister zu Beratungen zusammen. Thema sollen etwa mögliche neue Maßnahmen gegen die sogenannte russische Schattenflotte zur Umgehung von Energiesanktionen sein.

Kiewer Führung angeblich über Plan informiert

Das Nachrichtenportal "Axios" in Washington berichtete, der Plan sei Ende Oktober von Trumps Sondergesandten Steve Witkoff und dem Moskauer Vertreter Kirill Dmitrijew ausgehandelt worden. Den Angaben nach soll Witkoff die Überlegungen dem Chef des ukrainischen Sicherheitsrates, Rustem Umjerow, zur Kenntnis gegeben haben.

In Moskau sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow, es gebe zwischen Russland und den USA keine neuen Vorschläge für ein Kriegsende. Es gelte weiter, was von Kremlchef Wladimir Putin und Trump bei ihrem Gipfel in Alaska im August besprochen worden sei. Der neue Plan entspricht nach Einschätzung der "Financial Times" weitgehend bekannten russischen Forderungen an Kiew.

Moskau will Russisch als Staatssprache

Moskau soll demnach die Teile von Donezk und Luhansk bekommen, die es bislang nicht erobern konnte. Allerdings sollen sie demilitarisiert werden. Die südliche Frontlinie durch die Gebiete Saporischschja und Cherson soll weitgehend eingefroren werden. Der Ukraine droht demnach auch Begrenzungen der Reichweite ihrer Waffen.

Dem Bericht zufolge wird ebenfalls gefordert, dass Russisch als Staatssprache anerkannt und die frühere moskautreue orthodoxe Kirche wieder zugelassen werde. Die Kiewer Führung versucht, diese Kirche als Sicherheitsrisiko zu verbieten.

Über einen militärischen Rückzug der Ukrainer hatte Trump schon früher gesprochen und es Gebietsaustausch genannt. In den letzten Wochen zeigte er sich allerdings zunehmend enttäuscht wegen Putins mangelnder Verhandlungsbereitschaft. Trump sagte einen zweiten Gipfel in Budapest vorerst ab und verhängte schmerzhafte Sanktionen gegen die großen russischen Ölexporteure Rosneft und Lukoil.

Ukraine doppelt in Schwierigkeiten

Die angebliche Wiederannäherung zwischen Washington und Moskau trifft die Ukraine in einem doppelt ungünstigen Moment. An der Front im Osten ist der Fall der lange umkämpften Stadt Pokrowsk nur noch eine Frage der Zeit. Auch weiter südlich hat die ukrainische Armee Stellungen räumen müssen.

Innenpolitisch steht Selenskyj unter Druck wegen eines Korruptionsskandals, der bis in sein Umfeld reicht. Zwei Minister mussten bislang zurücktreten. Nach Selenskyjs Rückkehr von einer Auslandsreise werden für heute weitere Gespräche in Parlament und Regierung über personelle Konsequenzen erwartet. In Kiew wird auch über eine Entlassung von Andrij Jermak diskutiert, der als Leiter des Präsidentenbüros als mächtig gilt.

Selenskyj: Nur Trump kann Krieg beenden

Eine direkte Reaktion der Ukraine auf den amerikanisch-russischen Plan gab es nicht. Selenskyj beschwor jedoch Trump, sich für einen gerechten Frieden einzusetzen. "Nur Präsident Trump und die USA haben genügend Kraft, dass dieser Krieg zu einem Ende kommt", schrieb er in sozialen Netzwerken.

Nach Gesprächen in Ankara dankte er dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, dass die Türkei weiter als Gastgeberin für Verhandlungen bereitstehe. Doch das Wichtigste für ein Ende des Blutvergießens und einen dauerhaften Frieden sei, dass die USA sich stark und effektiv engagierten. Erdogan rief in Ankara zu neuen Gesprächen zwischen Kiew und Moskau in Istanbul auf. Wie bei Trumps Friedensinitiative für Gaza sollen laut "Axios" Katar und die Türkei ebenfalls an dem Ukraine-Plan beteiligt sein.

Europäer bleiben bislang außen vor

In den europäischen Hauptstädten war zu dem Plan wenig bekannt. Aus EU-Kreisen in Brüssel hieß es, dass es Gespräche der USA mit beiden Kriegsparteien gebe, den neuen Plan habe man aber noch nicht gesehen. Aktuell scheine eher Russlands ein Interesse an der Verbreitung solcher Nachrichten zu haben. Es sei eine Art Ablenkungsmanöver, denn der Druck durch die US-Sanktionen gegen die russische Ölindustrie sei gewachsen.

Das Nachrichtenportal "Politico" zitierte einen nicht genannten Vertreter der Trump-Administration mit der Einschätzung, dass Selenskyj unter dem Druck innen und an der Front einlenken müsse. Die gemachten Vorschläge seien vernünftig. Auf die europäischen Verbündeten sei dabei kaum Rücksicht genommen worden.

Selenskyj trifft heute eine US-Militärdelegation in Kiew. Sie wird von Daniel Driscoll geführt, dem für das Heer zuständigen Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium. In einem Gespräch am Mittwoch versuchte der ukrainische Verteidigungsminister Denys Schmyhal, die Ukraine als verlässlichen und wichtigen Partner der USA darzustellen. Sein Land habe in der Drohnentechnik etwas zu bieten.

Immer noch Vermisste nach Luftangriff auf Ternopil

In der westukrainischen Stadt Ternopil dauerten die Rettungsarbeiten nach einem schweren russischen Luftangriff in Nacht auf Mittwoch weiter an. Bis zum Abend wurden nach Angaben der Nationalen Polizei 26 Leichen gezählt. Dazu habe es 93 Verletzte gegeben. Präsident Selenskyj teilte mit, in den Trümmern eines neunstöckigen Wohnblocks würden immer noch Menschen vermisst. Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe hatte ein Marschflugkörper vom Typ Ch-101 das Gebäude getroffen./fko/DP/stk