Berlin (Reuters) - Für Daimler-Chef Dieter Zetsche dürfte das Treffen mit Verkehrsminister Andreas Scheuer am Montag ungemütlich werden.
Beim Rapport im Bundesverkehrsministerium muss der Top-Manager mit dem markanten Schnauzbart konkrete Zahlen zum Ausmaß des mutmaßlichen Dieselabgasskandals bei Mercedes und dessen Lösungen vorlegen. Nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" (BamS) hat das Kraftfahrtbundesamt (KBA) inzwischen fünf "unzulässige Abschaltfunktionen" bei Daimler-Modellen entdeckt. Die Behörde geht dem Verdacht nach, dass diese Software-Funktionen sogar in einem Großteil der neueren Diesel-Flotte mit der Abgasnorm Euro 6 zum Einsatz kommen und damit fast eine Million Fahrzeuge betroffen wären.
Daimler wollte sich nicht zu dem Bericht äußern. "Kein Kommentar", sagte ein Sprecher. Der Stuttgarter Konzern arbeite vollumfänglich und transparent mit dem KBA und dem Bundesverkehrsministerium zusammen. Der Sprecher bekräftigte zudem, Daimler widerspreche, wenn das KBA meine, es handele sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Der Konzern hatte angekündigt, dies - wenn erforderlich - vor Gericht klären zu wollen.
Wie die "BamS" berichtet, nutzt Daimler wie andere Hersteller eine Harnstofflösung zur Abgas-Reinigung. Allerdings verschlechtere sich laut KBA der Wirkungsgrad ohne erklärbaren Grund, sobald der Motor nach dem Start 17,6 Gramm Stickoxide ausgestoßen habe. Bei einer anderen Softwarefunktion wechsele die Motorsteuerung nach 1200 Sekunden - bei neueren Modellen 2000 Sekunden - in den schmutzigen Abgas-Modus.
FRIST LÄUFT AB
Scheuer hatte Zetsche bereits am 28. Mai zu einer Krisensitzung einbeordert. Der Verkehrsminister setzte dem Daimler-Manager damals eine Frist von 14 Tagen, um "konkrete Ergebnisse auf den Tisch zu legen". Zuvor hatte das KBA einen Rückruf von rund 4900 Exemplaren des Mercedes-Kleintransporters Vito wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung angeordnet. Scheuer wies das KBA an, weitere Mercedes-Modelle zu prüfen.
Über die Zahl der betroffen Mercedes-Pkw kursierten in Medien zuletzt verschiedene Zahlen. Die Wochenzeitung "Die Zeit" berichtete, es könnten bis zu 900.000 Fahrzeuge sein, darunter das Modell C-Klasse. Anfang Juni hatte der "Spiegel" berichtet, Scheuer gehe von rund 750.000 verdächtigen Fahrzeugen aus, in denen ein unzulässiges Abgasreinigungssystem eingebaut sein könnte. Der Minister habe Zetsche ein Ordnungsgeld von bis zu 5000 Euro pro Auto angedroht, was sich auf 3,75 Milliarden Euro summieren könnte.
Nach dem Volkswagen-Konzern steht mit Daimler damit der zweite deutsche Autobauer wegen Abgasmanipulationen im Fokus. Die Wolfsburger hatten erst nach massivem Druck der amerikanischen Umweltbehörden zugegeben, Dieselabgaswerte durch eine Abschalteinrichtung manipuliert zu haben. Diese erkennt, ob sich ein Auto auf einem Prüfstand befindet und reguliert nur dann den Stickoxidausstoß. Auf der Straße sind die Abgaswerte sehr viel höher. Die Wiedergutmachung des Abgasskandals kostete Volkswagen bislang mehr als 25 Milliarden Euro.