Reuters

Türkei gratuliert Özil zu "schönstem Tor" gegen Faschismus

23.07.2018
um 11:41 Uhr

- von Daren Butler und Markus Wacket

Ankara/Berlin (Reuters) - Der Rückzug von Mesut Özil aus der deutschen Nationalmannschaft hat die Integrations-Debatte zugespitzt.

Während der Fußballer von Politikern verschiedener Bundestagsparteien am Montag Kritik erntete, feierte die türkische Regierung den in Gelsenkirchen geborenen Weltmeister von 2014. Justizminister Abdulhamit Gül schrieb: "Ich gratuliere Mesut Özil für das schönste Tor, das er mit dem Verlassen des deutschen Nationalteams gegen das Virus des Faschismus erzielt hat." Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel twitterte dagegen: "Integrations-Träumerei funktioniert nicht einmal bei Fußball-Millionären!" Özil stehe "für die gescheiterte Integration von viel zu vielen Einwanderern aus dem türkisch-muslimischen Kulturkreis". Vize-SPD-Chef Ralf Stegner kritisierte zwar rassistische Töne. Mitleid mit Millionären, die weder auf dem Platz noch daneben überzeugten, sei aber auch unangebracht.

Özil hatte am Sonntag seinen Rücktritt verkündet und dies mit einem Gefühl von Rassismus und Respektlosigkeit begründet. Özil und sein Nationalmannschaftskollege Ilkay Gündogan hatten sich kurz vor der Präsidentschaftswahl in der Türkei mit Erdogan getroffen und ihm Trikots ihrer jeweiligen Vereinsmannschaft überreicht. Gündogan widmete es "seinem Präsidenten". Dies war unter anderem als Wahlkampfhilfe für Erdogan kritisiert worden, dem Missachtung von Menschenrechten und der Pressefreiheit vorgeworfen wird. Özil verteidigte das Foto als Respektbezeugung gegenüber dem Präsidenten des Landes seiner Vorfahren.

Der Sprecher von Präsident Erdogan, Ibrahim Kalin, lobte Özil dafür: "Ein herausragender Fußballer hat eine völlig überzeugende Begründung für sein Treffen mit Präsident Erdogan geliefert." Sportminister Mehmet Kaspoglu ergänzte: "Wir unterstützen von ganzem Herzen die ehrenhafte Haltung, die unser Bruder Mesut Özil gezeigt hat."

JOURNALISTENVERBAND: FOTO MIT ERDOGAN IST POLITISCHE AUSSAGE

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) verwahrte sich gegen pauschale Kritik Özils, Medien hätten ihn nicht wegen seiner sportlichen Leistung, sondern wegen seiner Herkunft kritisiert. Özil müsse hier Ross und Reiter nennen, forderte der DJV-Vorsitzende Frank Überall. Richtig sei, dass die deutschen Medien kritisch hinterfragt hätten, warum sich Özil mit dem türkischen Präsidenten habe ablichten lassen. "Anders als Özil behauptet, ist ein gemeinsames Foto mit dem für die Abschaffung der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei gefürchteten Autokraten politisch", sagte Überall.

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir wies Özils Rechtfertigung für das Foto im Deutschlandfunk ebenfalls zurück: "Für mich war das Foto falsch und es ist nach wie vor falsch." Wenn er das mit Respekt vor der Türkei und Erdogans Amt begründe, so frage er sich, wo der Respekt vor den Opfern von Erdogans Politik bleibe.

Recht habe Özil allerdings mit der Kritik, dass der Deutsche Fußballbund (DFB) im Umgang mit autoritären Herrschern mit zweierlei Maß messe, etwa wenn es um den russischen Präsidenten Wladimir Putin gehe, sagte Özdemir. Zudem habe der Fußball-Spieler zurecht angeführt: "Wenn Du Erfolg hast, bist Du Deutscher, wenn Du verlierst, dann bist Du Migrant".

Nach dem Aus bei der WM schon in der Vorrunde hatte der Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB), Reinhard Grindel, Özil einen großen Teil der Schuld gegeben. Die sportliche Leistung Özils kritisierte der Präsident des FC Bayern, Uli Hoeneß. "Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt", sagte er der "Sport"-Bild. Er verstecke seine Leistung nun hinter dem Foto. Man müsse die Debatte wieder auf das Sportliche reduzieren: "Und sportlich hat Özil seit Jahren nichts in der Nationalmannschaft verloren!"

Özils Sponsor Adidas sieht keinen Grund, die Zusammenarbeit zu beenden: "Wir bedauern, dass Mesut Özil nicht mehr für die deutsche Nationalmannschaft spielen wird", sagte ein Sprecher. "Als Markenbotschafter bleibt er selbstverständlich ein Mitglied der adidas Familie." Özil trägt seit 2013 Adidas-Fußballschuhe. Grundlage ist ein millionenschwerer, noch bis 2020 laufender Vertrag.

adidas AG

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