München (Reuters) - Der größte Coup von Finanzinvestoren an der deutschen Börse ist gescheitert.
Der Online-Kleinanzeigenmarkt Scout24 bleibt eigenständig. Die US-Beteiligungsgesellschaften Hellman & Friedman und Blackstone bissen sich mit ihrer gemeinsamen, 5,7 Milliarden Euro schweren Kaufofferte für den Betreiber der Portale ImmobilienScout24 und AutoScout24 die Zähne an dessen Aktionären aus. Mit 42,8 Prozent verfehlten sie die angestrebte Mehrheit von mehr als 50 Prozent deutlich, wie sie am Dienstag einräumen mussten. Es wäre - noch vor dem Arzneimittelhersteller Stada - die größte Übernahme einer börsennotierten deutschen Firma durch Finanzinvestoren überhaupt gewesen.
Scout24 will an seinem Expansionskurs trotzdem festhalten. Finanzvorstand Christian Gisy bekräftigte das Interesse an Teilen von Ebay Classifieds, der Kleinanzeigen-Sparte des Internet-Riesen Ebay, zu der unter anderem der größere AutoScout-Rivale Mobile.de gehört. "Brauchen wir dazu dringend einen strategischen Partner? Definitiv nicht", sagte Gisy, kurz bevor die Finanzinvestoren ihre Niederlage einräumten. "Wir sind auch aus eigener Kraft in der Lage, das zu liefern."
Die Scout24-Aktie brach vorübergehend um neun Prozent auf 42 Euro ein. Am Montag hatte sie noch bei 46 Euro geschlossen, auf dem Niveau des Übernahmeangebots. Scout24-Vorstandschef Tobias Hartmann erklärte: "Wir verstehen diese Entscheidung als Vertrauensbeweis in die erfolgreiche Zukunft und das Management von Scout24. Wir werden uns weiter auf unsere Wachstumsstrategie und die eigenständige Weiterentwicklung von Scout24 konzentrieren."
KEIN NEUER ANLAUF - ABER EINE HINTERTÜR
Hellman & Friedman und Blackstone hatten für den Fall des Scheiterns einen neuen Anlauf innerhalb der nächsten zwölf Monate ausdrücklich ausgeschlossen - es sei denn, ein anderer Bieter drohe ihnen zuvorzukommen. Doch ein anderes Angebot war nicht eingegangen, seit die Investmentbanker von Morgan Stanley Ende 2018 begonnen hatten, das Interesse an Scout24 auszuloten. Hellman & Friedman und Blackstone waren an dem Unternehmen schon vor dem Börsengang vor dreieinhalb Jahren mehrheitlich beteiligt gewesen. Ihre letzten Aktien hatten sie erst im vergangenen Jahr verkauft.
Die Finanzinvestoren hatten bis zuletzt auf den neuerlichen Einstieg gehofft und gewartet, bis auch die letzten Benachrichtigungen der Aktionäre eintrudelten. Die Annahmefrist war bereits am Donnerstag ausgelaufen. Doch pokerten Hedgefonds und andere Aktionäre hartnäckig um eine Erhöhung der Offerte. Das schlossen Hellman & Friedman und Blackstone frühzeitig aus. Gleichzeitig waren die Papiere von Scout24-Konkurrenten wie der britischen AutoTrader und RightMove in den vergangenen Monaten kräftig gestiegen, was das Angebot weniger attraktiv aussehen ließ.
Operativ lief es bei Scout24 zuletzt vor allem im Geschäft mit Auto-Anzeigen glänzend. In der Sparte wuchs der Umsatz im ersten Quartal um 17 Prozent, während die Wohnungsmärkte rund um Immobilienscout24 nur um knapp acht Prozent zulegten. Auch die operative Umsatzrendite bei AutoScout24 schnellte nach oben. Für das Gesamtjahr erwartet Gisy nun für die Auto-Sparte ein Wachstum von 14 Prozent, das obere Ende der bisherigen Prognose. Für den Konzern bleibt Scout24 dabei, dass der Umsatz um 15 bis 17 Prozent zulegen und die operative Umsatzrendite (Ebitda-Marge) 52 bis 54 Prozent erreichen soll. Im ersten Quartal lag die Marge bei 47,7 Prozent. Der Umsatz stieg dank der Übernahme des Kreditvermittlers Finanzcheck.de um 21 Prozent auf 148,8 Millionen Euro.