- von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) - Im zuständigen Bundestags-Ausschuss hatte BND-Chef Bruno Kahl noch einmal Gelegenheit, um seine Bedenken gegen den chinesischen Netzwerkausrüster Huawei deutlich zu machen.
Das Unternehmen arbeite eng mit der chinesischen Führung zusammen, sagte er in einer Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages diese Woche. Deshalb müsse man beim Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes in Deutschland aufpassen, dass Hardware von chinesischen Firmen zumindest in den sicherheitssensiblen Kernbereichen des Netzes nicht eingesetzt werde. Damit befeuerte er einen Streit, der nach Angaben aus Regierungskreisen noch lange nicht entschieden ist.
Auslöser der neuen Debatte ist nach Angaben aus Regierungskreisen im Grunde ein Missverständnis. Denn die Bundesnetzagentur und das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) haben einen Entwurf ihres Sicherheitskatalogs für die Netzwerkfirmen vorgelegt, die beim Aufbau des superschnellen 5G-Mobilfunknetzes mitmachen wollen. Dies war von einigen als Entscheidung für eine Huawei-Beteiligung verstanden worden - was die Regierung dementierte. Schon im Frühjahr 2019 hatte sie vielmehr entschieden, zwar der US-Forderung nach einem generellen Ausschluss des chinesischen Unternehmens nicht nachzukommen. Dafür wurde Washington darüber informiert, dass man einen anderen Weg gehen wolle: Es werden scharfe Sicherheitskriterien aufgestellt, die alle teilnehmenden Firmen erfüllen müssten.
CHINA-KRITIKER MACHEN MOBIL
Dennoch denkt jetzt nicht nur die US-Regierung darüber nach, Huawei und den ebenfalls chinesischen Konzern ZTE zur "Gefahr für die nationale Sicherheit" zu erklären. Auch transatlantisch ausgerichtete Bundestags-Abgeordnete um den CDU-Politiker Norbert Röttgen machen erneut mobil. Dabei sind die Fronten unverändert: Der Bundesnachrichtendienst und das Auswärtige Amt hatten bereits Anfang des Jahres ihre Einwände erhoben. Sie verweisen vor allem auf die Lage in China, wo sich kein Unternehmen rechtlich oder politisch der Kooperation mit der kommunistischen Führung entziehen könne. Deshalb sei der Zugriff auf 5G-Daten problematisch. Westliche Geheimdienste unterstellen China Industriespionage in großem Stil, was die Führung in Peking dementiert. Dagegen stehen aber nicht nur die Wirtschaftspolitiker, sondern auch die Telekommunikationsunternehmen sowie das BSI, das dem Innenministerium unterstellt ist. Auch Innenminister Hort Seehofer warnte vor wirtschaftlichen Verwerfungen, sollte man dem US-Wunsch folgen und chinesische Unternehmen explizit von der 5G-Ausstattung ausschließen. Die Kanzlerin teilt diese Bedenken. Was weniger offen gesagt wird: In der Bundesregierung gibt es auch Misstrauen, dass die USA wie schon bei den Attacken gegen die Nordstream-2-Gaspipeline aus Russland eigene kommerzielle Interessen verfolgen. Weder Bundesregierung noch deutsche Industrie oder EU-Partner wollen sich in die von Washington forcierte Frontstellung der Supermächte zwingen lassen.
KASKADE AN SICHERHEITSSCHRANKEN
Einen Angriffspunkt sehen Kritiker vor allem in der Forderung des Sicherheitskataloges, dass Netzwerkausrüster eine Erklärung abgeben müssen, dass man ihnen vertrauen könne. Dies sei naiv. Im Innenministerium und dem BSI hält man dagegen, dass dies vor allem eine juristische Bedeutung im Streitfall habe. Man werde sich natürlich mitnichten allein auf eine solche Erklärung verlassen. Es gebe vielmehr ein ganzes Set an Sicherungen gegen Spionage-Produkte, das unterschlagen werde. Zum einen müssten die Netzwerkausrüster nachweisen, dass sie die Kriterien des Sicherheitskatalogs erfüllten. Das BSI prüfe fortlaufend auch Updates von Produkten. Eine Entscheidung, ob etwa Huawei oder ein europäischer Ausrüster wie Nokia die Anforderungen erfüllten, könne also erst später fallen. Zudem können einzelne Komponenten bei 5G erst dann zum Einsatz kommen, wenn sie das BSI zuvor zertifiziert hat.
Unternehmen wie die Deutsche Telekom sind ebenfalls gegen einen Huawei-Ausschluss. Sie argumentieren, dass sie am liebsten die Technik mehrerer Netzwerkausrüster parallel einsetzen wollten. Dies drücke Preise und beschleunige den 5G-Ausbau, sagte Telekom-Manager Dirk Wössner der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Völlig verschwunden ist aus der Debatte, dass die Bundesregierung Anfang 2020 auch ein neues Telekommunikationsgesetz vorlegen will. Dieses soll Telekom-Firmen strenge Vorschriften machen, wem sie trauen dürfen und wem nicht. Möglicherweise, so heißt es in Regierungskreisen, könnte es dann schwierig für einen Konzern wie Huawei werden. Oder es könnte das eintreten, was BND-Chef Kahl nun erneut gefordert hat - dass bestimmte Hersteller bei besonders sensiblen 5G-Bereichen nicht zum Zuge kommen. Und der Sprecher des Innenministeriums verwies am Mittwoch darauf, schon das heutige BSI-Gesetz sehe vor, dass es keine Zertifizierung geben dürfe, wenn "überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere sicherheitspolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland" dagegen sprächen. Damit hat die Bundesregierung auch die Möglichkeit zu einer politischen Bewertung.