Wien (Reuters) - Um den US-Banken Paroli zu bieten, braucht Europa nach Ansicht des Österreich-Chefs des Geldhauses Erste Group, Peter Bosek, eine eigene wettbewerbsfähige Investmentbank.
Man sollte nicht alles den US-Investmentbanken überlassen, sagte der Banker am Montag bei einer Online-Veranstaltung der Tageszeitung "Die Zeit". "Wenn wir eine Kapitalmarktunion wollen, dann müssen wir den Kapitalmarkt fördern und dann braucht es Banken dazu".
Gleichzeitig hält es der Bankchef wirtschaftspolitisch für falsch, Geldhäuser in Europa noch größer zu machen. Unter dem Druck wachsender Kreditausfälle durch die Corona-Krise und den anhaltend niedrigen Zinsen suchen derzeit immer mehr Finanzinstitute ihr Heil in Fusionen. "Ich glaube, dass es viel wichtiger wäre, die Finanzierung von Unternehmen kapitalmarktorienterter zu machen". Dabei verwies er auf die US-Banken, die sich besser entwickeln würden als die europäischen. In den USA würden 75 Prozent der Unternehmensfinanzierungen über den Kapitalmarkt laufen und 25 Prozent über Banken. In Europa sei die Situation genau umgekehrt, kritisierte Bosek.
Der europäische Banken-Index ist seit Jahresbeginn um 43 Prozent gesunken, der Index der US-Banken um knapp 36 Prozent.
Von der Eigenkapitalseite sieht der Banker keine große Bedrohung für die europäischen Institute. Die Institute seien dank den Lehren aus der Finanzkrise gut ausgestattet. "Die Frage ist nur, wer investiert noch in Bankaktien?", sagte Bosek. Die Empfehlung der Regulatorik auf Dividendenausschüttungen zu verzichten, sei zwar richtig, schmälere aber die Attraktivität der europäischen Bankaktien noch mehr. "Wenn man will, dass Banken nachhaltig viel Eigenkapital haben, dann muss ich sie von der Investitionsseite her interessant machen." Hier sei in den vergangenen zehn Jahren seit der Finanzkrise zu wenig passiert.