Berlin (Reuters) - Der Ex-Wirecard-Chef Markus Braun ist nach Einschätzung der Münchner Staatsanwaltschaft die zentrale Figur in dem milliardenschweren Bilanzbetrugsfall.
"Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen fungierte Dr. Braun innerhalb der Bande als Kontroll- und Steuerungsinstanz", heißt es in einer E-Mail der Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl an den parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Das Schreiben lag der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch vor, die "Süddeutsche Zeitung" hatte zuerst darüber berichtet.
Das streng hierarchische System bei dem Münchner Zahlungsabwickler sei geprägt gewesen von einem militärisch-kameradschaftlichem Korpsgeist sowie Treueschwüren untereinander. "Braun gab strategische Weisungen und konkrete Geschäftsaktionen vor." Die Struktur sei auch von psychischem Druck geprägt gewesen. Das habe sich Braun bei Abweichungen vom Tatplan zunutze gemacht, zusammen mit Ex-Vorstand Jan Marsalek, der auf der Flucht ist.
Braun, der momentan in Augsburg in Untersuchungshaft sitzt, muss am Donnerstag persönlich vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages in Berlin erscheinen und soll dort vernommen werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) wies am Dienstag den Antrag seiner Anwälte ab, nur per Videoübertragung als Zeuge zu dem Finanzskandal auszusagen. Brauns Anwalt wollte sich dazu nicht äußern.
In der E-Mail der Staatsanwaltschaft wird zudem der Ex-Manager Oliver Bellenhaus, der für die Wirecard-Tochter in Dubai zuständig war, als Kronzeuge beschrieben. Er kooperiere vollumfänglich und habe den Ermittlern das System Wirecard detailliert erklärt. Dabei habe er unter anderem Braun erheblich belastet. Auch Bellenhaus soll vom Untersuchungsausschuss des Bundestages vernommen werden.
Braun prägte den Zahlungsdienstleister 18 Jahre lang. Nach der Aufdeckung eines 1,9 Milliarden Euro großen Bilanzlochs trat er im Juni zurück, der Konzern rutschte in die Pleite. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun und weiteren Wirecard-Managern gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor. Wirecard soll sich jahrelang mit systematischen Luftbuchungen schöngerechnet und damit Anlegern und Banken Milliardenschäden zugefügt haben. Bei seinem letzten öffentlichen Auftritt hatte Braun das damalige Dax-Unternehmen als Opfer eines großangelegten Betrugs bezeichnet.