Berlin (Reuters) - Wenige Tage vor dem Bund-Länder-Treffen plädieren mehrere Ministerpräsidenten dafür, die strenge Impfreihenfolge beim Vakzin AstraZeneca aufzugeben.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kritisierte, es könne nicht sein, dass es einerseits zu wenig Impfstoff gebe, andererseits AstraZeneca vielfach nicht verimpft werde. "Bevor er liegen bleibt, impfen, wer will", sagte Söder der "Bild am Sonntag". Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach sich in der "Welt am Sonntag" für eine Lockerung der Prioritäten-Vorgabe aus. Man könne es sich nicht leisten, "dass Impfstoff herumsteht und nicht verimpft wird, weil Teile der Berechtigten ihn ablehnen". Bundesfinanzminister Olaf Scholz mahnte für das Treffen am Mittwoch ein gemeinsames Vorgehen an und stellte weitere Öffnungsschritte in Aussicht.
Beim Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den 16 Regierungschefs und -chefinnen dürfte es neben der Strategie für Lockerungen aus dem aktuellen Lockdown auch um vermeintliche Vorbehalte in der Bevölkerung gegen den Impfstoff AstraZeneca gehen. Derzeit mehren sich Stimmen, das Vakzin unabhängig von der festgelegten Reihenfolge zu verwenden. "Die Priorisierung ist ein Mittel der Mangelverwaltung" und solle für AstraZeneca "zügig aufgehoben werden", sagte der sächsische Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Damit ließen sich rasch Fortschritte erzielen. "Es wird sich aber schnell herumsprechen, dass der Impfstoff von AstraZeneca eine große Wirkung hat, dass er genauso gut schützt wie der von BioNTech."
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete 7890 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Mit 157 neuen Todesfällen steigt die Gesamtzahl demnach auf 70.045. Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz bleibt zum Vortag unverändert bei 63,8 Fällen. Dieser Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen angesteckt haben. Insgesamt wurden in Deutschland bisher mehr als 2,44 Millionen Menschen positiv auf das Coronavirus getestet.
SCHOLZ BESTEHT AUF "GEMEINSCHAFTLICHER FÜHRUNGSLEISTUNG"
SPD-Kanzlerkandidat Scholz forderte, dass Bund und Länder auf dem Weg zu Lockerungen an einem Strang ziehen müssen. "Ich bestehe darauf, dass wir hier eine gemeinschaftliche Führungsleistung in Deutschland zustande bringen", sagte Scholz im Deutschlandfunk. Man werde einen Zusammenhang herstellen zwischen der Öffnungsstrategie und dem Testen. Auch Selbsttests müssten dabei mit einbezogen werden. Man müsse vorsichtig vorgehen, es sei aber wichtig, dass sich für alle die Hoffnung verbreite, "dass es besser wird und dass wir Stück für Stück Öffnung durchsetzen können".
Die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer hält es für nötig, dass die Spitzenrunde am Mittwoch Perspektiven aufzeigen müsse. "Wir brauchen Lösungen für den Einzelhandel, für Kultur, für die Außengastronomie, für körpernahe Dienstleistungen, aber auch für Hotels und Ferienwohnungen", sagte die SPD-Politikerin dem "Tagesspiegel". "Ich bin auch dafür, die privaten Kontaktbeschränkungen zu lockern." In Rheinland-Pfalz wird am 14. März ein neuer Landtag gewählt, ebenso wie in Baden-Württemberg.
Der dortige Ministerpräsident Kretschmann signalisierte, dass eine Lockerung beim Datenschutz in Corona-Zeiten hilfreich wäre. "Es kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein, dass wir uns in einer Pandemie so einmauern beim Thema Datenschutz, dass wir lieber massiv in andere Grundrechte und die Lebensverhältnisse der Bürger eingreifen und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung völlig unangetastet lassen." Aufgrund des Datenschutzes sei etwa die Corona-Warn-App "nur eine Krücke". In Krisen-Zeiten müsse es möglich sein, ein "schnelles, schlagkräftiges, umfassendes Steuerungsinstrument" zu entwickeln und "dafür auch mal an den Datenschutz zu gehen".
Eine Mehrheit der Deutschen (56 Prozent) ist laut ZDF-Politbarometer zwar für Öffnungen in der Corona-Krise. Sollte es allerdings zu einer dritten Welle kommen, befürworten nur noch 21 Prozent eine Lockerung der Corona-Maßnahmen. Rund 55 Prozent halten die gegenwärtigen Einschränkungen für richtig.