Berlin (Reuters) - Nach monatelangem Hickhack werden am Freitag die Wirtschaftsprüfer von EY im Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal aussagen.
Sie stehen in der Kritik, weil sie den Bilanzbetrug nicht entdeckt haben. Vor allem für die SPD, die den für die Finanzaufsicht zuständigen Bundesfinanzminister Olaf Scholz aus der Schusslinie holen will, ist Ernst & Young (EY) einer der Hauptschuldigen in dem Fall. "Dieses Mal können sie sich nicht mehr hinter der Verschwiegenheitspflicht verstecken", sagte die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Es sei zu klären, warum EY jahrelang die Wirecard-Bilanz mit Testaten bestätigt habe. "Diese Frage wird im Zentrum der Befragung am Freitag stehen."
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss, der den Finanzskandal aufarbeiten und politische Verantwortlichkeiten klären soll, hatte Ende November gegen zwei EY-Vertreter symbolische Bußgelder verhängt, weil diese nicht konkret zum Fall aussagen wollten, sondern nur allgemeine Angaben machten. Sie hatten sich auf Verschwiegenheitspflichten berufen. Daraufhin wurde der Bundesgerichtshof eingeschaltet, um zu klären, wie weit Zeugen im Bundestag aussagen dürfen und müssen. Dies sei nun eindeutig vom BGH geklärt worden, so Linken-Finanzexperte Fabio De Masi. Die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durch den Insolvenzverwalter reiche aus. EY könne sich nicht mehr auf eine fehlende Entbindung durch den damaligen Wirecard-Vorstand berufen, der mittlerweile in Untersuchungshaft sitze beziehungsweise auf der Flucht sei.
Der einstige Dax-Konzern war im Juni 2020 nach der Aufdeckung eines 1,9 Milliarden Euro großen Lochs in der Bilanz in die Pleite gerutscht. Schon Jahre vor der Insolvenz hatte es Warnhinweise gegeben, weswegen auch die Aufsichtsbehörde BaFin und das Finanzministerium in der Kritik stehen. Die Münchner Staatsanwaltschaft wirft mehreren Ex-Managern unter anderem gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor.
Der Vorsitzende des U-Ausschusses, der AfD-Politiker Kay Gottschalk, sagte, EY werde jetzt mit konkreten Prüfungsberichten und Vermerken konfrontiert. Es werde viel um die Treuhandkonten in Asien gehen, wo angeblich Gelder gelegen haben sollen.
Am Donnerstag sollen mehrere ehemalige Manager des Zahlungsabwicklers im Bundestag aussagen. "Wir wollen verstehen, wie interne und externe Kontrollprozesse manipuliert und umgangen wurden", sagte die SPD-Abgeordnete Kiziltepe. "Nur wenn alles auf den Tisch kommt, werden wir Schlüsse ziehen können, die ein zweites Wirecard verhindern können."