- von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) - Die Forderungen von Kanzlerin Angela Merkel nach einem härteren Corona-Kurs hat eine heftige Debatte zwischen Ministerpräsidenten ausgelöst.
Länder wie Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz oder Bremen unterstützten am Montag Merkels Forderung zwar nach einer konsequenten Umsetzung der sogenannten "Notbremse" wenn die Sieben-Tage-Inzidenz über 100 steigt. Darüber, was das konkret heißt, waren sie allerdings uneins.
So wies etwa NRW-Ministerpräsident Armin Laschet die Kritik der Kanzlerin zurück, die in diesem Fall ein Zurückkehren zu den Beschränkungen vor dem 8. März einfordert. Anders als in einigen anderen Ländern habe NRW eine flächendeckende Notbremse angeordnet, zu der strengere Kontaktbeschränkungen gehören, sagte der CDU-Chef nach der Präsidiumsschalte seiner Partei. Zugleich beharrte er aber darauf, dass Landkreise das "Click & Meet"-Modell etwa im Einzelhandel einsetzen können, wenn sie dies mit einer Testpflicht verbinden.
Auch Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) wehrte sich gegen Kritik. Dass man Öffnungsschritte mit einem vermehrten Testen verbinde, entspreche den Beschlüssen der Bund-Länder-Runden. Die saarländische Landesregierung hatte angekündigt, das ganze Bundesland zu einer Modellregion zu erklären. Lockerungen mit einer Testpflicht sollen nach Ostern eingeführt werden, wenn die Inzidenz nicht über 100 steigt. Am Montag lag sie im Saarland bei 79,8. Eine Sprecherin der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) nannte das Vorhaben "kontraproduktiv". Auch Bayern hat Modellversuche geplant, in denen Lockerungen mit Testpflichten verbunden werden sollen.
Es sei nicht die Zeit für Lockerungen und Modellprojekte, sagte dagegen Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) im Deutschlandfunk. "Wir müssen die bestehenden Beschlüsse umsetzen." Auch Bayern, Brandenburg, Sachsen und Hamburg sprachen sich für einen härteren Kurs aus. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), er habe keine Einwände gegen eine Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes des Bundes. Damit hatte Merkel gedroht, wenn die Länder ihre Verantwortung nicht wahrnähmen. CDU-Chef Laschet sieht dies dagegen skeptisch.
Merkel hatte ihre Aufforderungen an die Länder mit Hinweis auf die dritte Pandemie-Welle und stark ansteigende Infektionszahlen in Deutschland und Europa verbunden. "Ich werde jedenfalls nicht zuschauen, dass wir 100.000 Infizierte haben", hatte die Kanzlerin gesagt. Sie bezog sich auf eine Warnung des Präsidenten des Robert-Koch-Instituts Lothar Wieler. Das RKI meldete 9872 Corona-Neuinfektionen, 2163 mehr als am Montag vergangener Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 134,4 von 107,3 vor einer Woche und von 82,9 vor zwei Wochen. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben.
Der CDU-Chef forderte eine personelle Begrenzung der nächsten Bund-Länder-Chefrunden und dass diese wieder in Präsenz stattfinden sollten. "16 Regierungschefs und die Bundeskanzlerin – das hat im Jahr 2020 gut funktioniert", sagte er. Der SPD warf er eine parteipolitische Instrumentalisierung des Corona-Themas vor und stellte die Teilnahme von SPD-Kanzlerkandidat und Finanzminister Olaf Scholz an Bund-Länder-Runden infrage. "Wenn der Vizekanzler als SPD-Vertreter dabei sein soll, ist das nicht das Format der MPK (Ministerpräsidentenkonferenz)", sagte Laschet.
DEBATTE UM AUSGANGSSPERREN
Auch das Pochen der Kanzlerin auf zusätzliche Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen sorgte für Diskussionen. Bremens Bürgermeister verwies auf Studien, wonach dies nichts bringe. Söder sah dagegen Erfolge in anderen europäischen Staaten mit nächtlichen Ausgangssperren erklärt. Die von der SPD geführte Regierung in Brandenburg führte solche Ausgangsbeschränkungen am Wochenende ein. In Bayern, Thüringen, Baden-Württemberg und Sachsen gibt es sie bereits punktuell. Auch in Rheinland-Pfalz sind nächtliche Ausgangssperren Teil der Notbremse. "In Rheinland-Pfalz wenden wir die Notbremse konsequent an. In Städten oder Landkreisen, die über einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 liegen, müssen Ausgangssperren zwischen 21 Uhr und fünf Uhr verhängt werden", teilte Dreyer mit.
Die deutsche Wirtschaft kritisierte unterdessen Drohungen der Politik, eine Coronavirus-Testpflicht für Unternehmen einzuführen. Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger sagte, private Firmen hätten ihre Anstrengungen zuletzt stark ausgeweitet. Kanzlerin Merkel hatte am Sonntagabend gesagt, dass die Pflicht zum Angebot eines zweimaligen Tests für Mitarbeiter wohl kommen müsse, da die Wirtschaft die Selbstverpflichtung nicht ausreichend umsetze. Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock forderte wie Merkel eine Ausweitung des Homeoffice. In Büros solle nur noch gearbeitet werden, wenn dies absolut notwendig sei.