- von Klaus Lauer und Elvira Pollina
Berlin/Mailand (Reuters) - ProSiebenSat.1 geht im Streit um Personalfragen auf seinen größten Aktionär Mediaset zu.
In den nächsten zwei, drei Wochen will der scheidende Aufsichtsratschef des bayerischen Fernsehkonzerns, Werner Brandt, Insidern zufolge mit seinem designierten Nachfolger Andreas Wiele das Gespräch mit MFE (früher Mediaset) und anderen Investoren suchen. Danach dürften die Italiener entscheiden, ob sie Wiele unterstützen oder ob sie eigene Kandidaten für den ProSiebenSat.1-Aufsichtsrat vorschlagen und somit den jüngsten Knatsch eskalieren lassen, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von mehreren mit der Sache vertrauten Personen am Dienstag. MFE und ProSiebenSat.1 kommentierten dies nicht.
In der Branche wird immer wieder spekuliert, ob der italienische Fernsehriese noch stärker bei ProSiebenSat.1 einsteigen oder sogar eine Übernahme wagen könnte. Das von der Familie des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi kontrollierte Unternehmen will den deutschen TV-Konzern bei seinen europäischen Expansionsplänen auf jeden Fall stärker einbinden und die Zusammenarbeit forcieren. Doch ProSieben-Chef Rainer Beaujean hat sich wiederholt skeptisch geäußert und hält länderübergreifende Fusionen nicht für sinnvoll. Er sieht den Konzern mit der Dating-Sparte digitaler und krisenresistenter aufgestellt als eher klassische Medienunternehmen wie MFE.
Die nun geplanten Gespräche könnten helfen, die Wogen zu glätten. Denn das Berlusconi-Lager hat sich bei den jüngsten Personalentscheidungen von ProSieben übergangen gefühlt. Im Dezember hatten die Bayern angekündigt, dass der ehemalige Axel-Springer-Vorstand Wiele im Mai 2022 neuer Aufsichtsratschef werden und der frühere RTL-Chef Bert Habets ebenfalls in das Gremium einziehen soll. Wiele ist inzwischen per Gericht zum Aufsichtsrat bestellt. Zudem wurde Beaujeans Vertrag um fünf Jahre verlängert. Daraufhin kündigten die Italiener als Retourkutsche an, womöglich eigene Kandidaten für das Kontrollgremium vorzuschlagen.
Dies bekräftigte Berlusconi am Montag in einer sogenannten Stimmrechtsmitteilung. Dort erklärte er erneut, dass man beabsichtige - abhängig von Marktumfeld, Aktienkurs und strategischen Optionen, in den nächsten zwölf Monaten weitere Stimmrechte an ProSiebenSat.1 zu erwerben. MFE hält derzeit 21,05 Prozent der Stimmrechte und über weitere Finanzinstrumente insgesamt 23,9 Prozent an der bayerischen Sender-Kette. Ein Branchenkenner sagte, Berlusconi werde wahrscheinlich bis zur Hauptversammlung Anfang Mai die indirekten Anteile schrittweise in direkte umwandeln. MFE lehnte eine Stellungnahme dazu ab.
Wenn beiden Seiten ihren Zwist bis dahin nicht beigelegt haben sollten, könnte das Aktionärstreffen für Schlagzeilen sorgen. Denn bei geringer Präsenz am 5. Mai wäre nicht auszuschließen, dass eventuelle MFE-Kandidaten für den Aufsichtsrat tatsächlich gewählt würden.