Reuters

Räumung von Kohle-Dorf Lützerath läuft - weiter Widerstand

11.01.2023
um 14:47 Uhr

Lützerath (Reuters) - Massive Kräfte der Polizei haben am Mittwoch mit der Räumung des besetzten Braunkohle-Dorfes Lützerath in Nordrhein-Westfalen begonnen.

Die Beamten drangen Augenzeugen zufolge weit in das von Klima-Aktivisten besetzte Dorf vor, das zu einem Symbol für die Anti-Kohle-Bewegung geworden ist. Es sei zu Rangeleien gekommen, Polizisten seien teils mit Würfen von Steinen und Feuerwerkskörpern empfangen worden. Demonstranten bildeten Menschenketten und Blockaden, die von der Polizei aufgelöst wurden. Es habe Verletzte gegeben, darunter auch Polizisten, sagte ein Sprecher der Polizei Aachen. Die Beamten stellen sich auf einen langen Einsatz ein. Vize-Kanzler Robert Habeck verteidigte die Räumung und rief zu einem Gewaltverzicht auf. Mitarbeiter des Energieriesen RWE, der unter dem Dorf gelegene Braunkohle abbaggern will, begannen damit, einen Zaun um die Ortschaft zu ziehen.

Augenzeugen zufolge räumte die Polizei Wege in den Weiler, in dem sie auch Aktivisten aus Hallen und ersten Häusern entfernte. RWE-Mitarbeiter sägten Augenzeugen zufolge das Ortsschild Lützeraths ab. Kohle-Gegner haben sich dort auch in Baumhäusern verschanzt. Einer Sprecherin der Demonstranten zufolge will sich auch Klima-Aktivistin Greta Thunberg am Samstag den Protesten anschließen. Die Räumung sei eine große Herausforderung für die Polizei, sagte ein Sprecher. Es sei noch unklar, wie lange der Einsatz insgesamt andauern werde. Er gehe aber von Wochen aus.

HABECK - VEREINBARUNG MIT RWE DIENT DEM KLIMASCHUTZ

Hintergrund der Räumung ist ein im vergangenen Oktober von Bundeswirtschaftsminister Habeck, NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und RWE-Chef Markus Krebber vorgelegter Plan, nach dem der Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleenergie in NRW bereits 2030 und damit acht Jahre früher als ursprünglich geplant erfolgen soll. Kurzfristig soll aber angesichts der Energie-Krise in der Folge des russischen Einmarsches in der Ukraine mehr Kohle abgebaggert werden. Lützerath müsse weichen, um den Bedarf zu decken, betonte RWE und rief die Besetzer zur Gewaltlosigkeit auf. Der Energieriese will nun um das Gelände einen insgesamt gut anderthalb Kilometer langen Zaun errichten, das Dorf soll abgerissen werden.

Habeck verteidigte die Räumung. Der Kompromiss, der ihr zugrunde liege, schaffe im Westen mehr Rechtssicherheit für den Kohleausstieg bis 2030. "Meine politische Arbeit ist auch darauf gerichtet, ähnliches an anderer Stelle in Deutschland noch hinzubekommen", sagte der Bundeswirtschaftsminister weiter. "Es ist eine Vereinbarung, die dem Klimaschutz dient." Der nordrhein-westfälische Umweltminister Oliver Krischer stellte sich ebenfalls hinter die Beschlüsse. "Wir haben eine Vereinbarung mit RWE geschlossen, die dazu führt, dass der Tagebau um die Hälfte verkleinert wird", sagte der Grünen-Politiker im Deutschlandfunk. Die Minister verurteilten ebenso wie ein Regierungssprecher Gewalt gegen die Einsatzkräfte.

RWE verwies darauf, dass der Kohleabbau notwendig sei, um die Braunkohle-Kraftwerke mit hoher Auslastung zu betreiben und damit Gas bei der Stromerzeugung einzusparen. Die ursprünglich knapp 100 Einwohner des kleinen Ortes seien alle umgesiedelt. Laut RWE-Berechnungen werden mit dem früheren Aus für die Kohle-Kraftwerke im rheinischen Revier rund 280 Millionen Tonnen Klimagase weniger ausgestoßen. Lützerath müsse von RWE für den Braunkohleabbau in Anspruch genommen werden, hatte NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur eingeräumt - "auch wenn ich es mir anders gewünscht hätte." An der grünen Basis sind die Pläne umstritten. Der mit RWE vereinbarte Kohleausstieg 2030 im Rheinischen Revier hatte auf einem Grünen-Bundesparteitag im Herbst nur eine knappe Mehrheit erhalten. Die Grüne Jugend NRW bezeichnete die Räumung Lützeraths am Mittwochmorgen als "grundsätzlich falsch". Wenn die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaschutzabkommens eingehalten werden solle, müsse die Kohle unter der Erde und Lützerath erhalten bleiben.

(Bericht von Wolfgang Rattay, Petra Wischgoll, Matthias Inverardi, Tom Käckenhoff, Christian Krämer, Andreas Rinke und Riham Alkousaa; redigiert von Hans Seidenstücker; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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