München (Reuters) - Siemens kann seine Hauptversammlung auch den nächsten beiden Jahren im virtuellen Format abhalten.
83,3 Prozent der Aktionäre räumten dem Vorstand des Technologiekonzerns dazu am Donnerstag die Möglichkeit ein. Online-Hauptversammlungen sind in Deutschland nach einer Gesetzesänderung künftig erlaubt, wenn die Aktionäre dem vorab alle fünf Jahre zustimmen. Auf Druck von US-Stimmrechtsberatern hatte Siemens die Ermächtigung zunächst auf zwei Jahre begrenzt. Jeder sechste Siemens-Anteilseigner stimmte trotzdem dagegen.
Vor allem institutionelle Anleger und Kleinaktionäre aus Deutschland hatten eine Rückkehr zur Präsenz-Hauptversammlung mit Tausenden Aktionären in großen Hallen gefordert. Vorstand und Aufsichtsrat verschanzten sich mit dem virtuellen Format in einem Elfenbeinturm, kritisierte Ingo Speich, Experte für gute Unternehmensführung bei der Fondsgesellschaft Deka. "Die Bodenhaftung geht ihnen verloren, und sie entfernen sich weiter von ihren Aktionären."
Zahlreiche Redner forderten, künftig wenigstens hybride Hauptversammlungen abzuhalten, an denen die Anteilseigner wahlweise in der Halle oder über das Internet teilnehmen können. Aufsichtsratschef Jim Hagemann Snabe lehnte das ab. "Wir nutzen die Vorteile der Digitalisierung", warb er für das virtuelle Format. Eine hybride Hauptversammlung verursache doppelte Kosten. Ein virtuelles Aktionärstreffen sei mit 2,5 Millionen Euro um 35 Prozent günstiger als eine Präsenz-Hauptversammlung. Zudem gebe es technische und rechtliche Probleme. Wenn diese gelöst seien, schließe er künftig eine hybride Hauptversammlung nicht aus.
Aufwand und Kosten dürften keine Rolle spielen, schließlich gehe es darum, den Eigentümer des Unternehmens zuzuhören, sagte Daniela Bergdolt von der Aktionärsvereinigung DSW. "Das kann doch nicht wahr sein." An dem bei Präsenz-Hauptversammlungen üblichen Teilnehmerschwund änderte auch das neue Format nichts. Von fast 3200 Aktionären waren am Nachmittag nur gut 1000 übrig.
Snabe betonte, es sei trotz des Grundsatzbeschlusses nicht ausgemacht, dass auch nächsten Hauptversammlungen virtuell stattfänden. "Eine konkrete Entscheidung über das Format wird damit nicht getroffen." Dafür sprächen neben Umweltaspekten und der Möglichkeit, mehr ausländische Aktionäre einzubinden, auch der Gesundheitsschutz. Wenn es danach gehe, sei "die Prognose naheliegend, dass wir uns in den nächsten Jahren nicht sehen", sagte Kleinaktionär Matthias Gäbler. Schließlich sei der Februar, in dem die Siemens-Hauptversammlung stattfindet, der typische Erkältungsmonat.
(Bericht von Alexander Hübner. Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)